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Splendides Gold und feines Silber

MAINZ (21. Juli 2019). Sie werden vor jedem Konzert genannt, wichtige Säulen des Rheingau Musik Festivals und die Garanten, dass es jedes Jahr wieder einen so vielfältigen „Sommer voller Musik“ geben kann: die Sponsoren. Vor allem Unternehmen betätigen sich hier, aber auch Einzelpersonen wie der Mainzer Bürger Stefan Schmitz, der als privater Mäzen dafür sorgt, dass das Festival jedes Jahr für ein Konzert in der Kirche St. Stephan den Sprung in die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt macht.

Diesmal tauchte das Publikum programmatisch in das „Goldene Venedig“ ein, wobei sich als Reiseleitung das mit je vier Trompeten und Posaunen, zwei Hörnern und Cimbasso (eine Bass-Ventilposaune) besetzte Blechbläserensemble Arnold Mehl empfahl. Hierbei begegnete man vor allem dem 1557 geborenen und 1612 gestorbenen Giovanni Gabrieli, dessen Name für die Entwicklung der Cori-Spezzati-Technik steht: Die venezianische Mehrchörigkeit, hier in Canzoni mit acht und zehn Stimmen aus verschiedenen Sammlungen des Tonkünstlers vorgetragen, verströmt eine harmonische Vielschichtigkeit und Klangfarbenpracht, die natürlich bestens in die durch die Kirchenfenster Marc Chagalls kolorierte Atmosphäre von St. Stephan passt.

Der heiklen Akustik begegnete Dirigent Arnold Mehl gekonnt, indem er bei den tonal ausladenden Werken – neben Gabrieli kamen auch Stücke der Zeitgenossen Giovanni Priuli, Ludovico Grossi da Viadana, Hans Leo Hassler sowie Bearbeitungen von Chormotetten zu Gehör – das Tempo drosselte und somit über weite Strecken für eine elegante Durchhörbarkeit der Polyphonie in wohl dosierter Dynamik sorgte. Besonders prachtvoll klang dabei die für Bläser bearbeitete Motette „Pater noster“ von Jacobus Gallus mit ihren dialogisierenden hohen und tiefen Registern.

Einzig der Ausflug in die Romantik erwies sich in diesem Raum als fragwürdig, denn die von Mehl für doppelchörige Bläser eingerichteten Brahms-Motetten aus den „Fest- und Gedenksprüchen“ sowie Mendelssohns berühmte „Engel“ zerliefen hier zu einem Aquarell, für das der Maler sämtliche Farben seiner Palette zu einem einheitlichen Uni zusammengerührt zu haben schien. In St. Stephan gilt die Faustregel: Je vielstimmiger und lauter das Dargebotene, umso mehr kann dies den Kunstgenuss schmälern.

Da erwies sich der Kontrast, den die Interludien von Axel Wolf auf der Chitarrone boten, als doppelt genialer Kunstgriff: Dem splendiden „Gold Venedigs“ hielt der Lautenist mit Werken von Girolamo Kapsberger, Alessandro Piccinini und Bellerofinte Castaldi fein ziseliertes Silber entgegen und sorgte mit zart schwebenden Modulationen dafür, dass man sich in der Musik und im Blau der Chagall-Fenster verlieren konnte. Wie besagt doch eine Anzeige im Programmheft so richtig: „Meerblick wird niemals langweilig.“ Derart kunstvolles Spiel auf der Chitarrone ebenso wenig.

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