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They Got Rhythm!

WIESBADEN (26. August 2021). Man sagt ja, die Orgel sei die Königin der Instrumente. Doch wenn sich vier Pianisten zusammentun, kann es leicht zur Palastrevolte kommen: Mischa Cheung, André Desponds, Benjamin Engeli und Stefan Wirth heißen die Tastenartisten des Gershwin Piano Quartetts, die stets ein rauschendes Fest des Arrangements feiern, denn Originalmusik für vier „Klaviere“ hat ja eigentlich nur der alte Bach mit seinem a-Moll-Konzert BWV 1065 geschrieben. Im Friedrich-von-Thiersch-Saal spielte man nun unter anderem Rachmaninow, Saint-Saëns und Brahms sowie Stücke aus Bernsteins „West Side Story“. Überschrieben war das Konzert des Rheingau Musik Festivals mit „Songs and Dances“.

Als Kontrapunkt zum sinfonischen Klang des Quartetts bot jeder Pianist auch ein Solostück dar: Rachmaninows Prélude G-Dur op. 32 Nr. 5 ganz „pur“, gespielt von Stefan Wirth oder das „Ständchen“ aus Schuberts „Schwanengesang“ in einem Arrangement von Liszt (der ja auch Beethovens Klavierkonzerte für den Soloflügel eingerichtet hat), musiziert von Benjamin Engeli. Mischa Cheung gefiel mit seinem Arrangement von Piazzollas „Libertango“ ebenso wie André Desponds mit seinen hinreißenden Improvisationen über Gershwins „Oh, Lady Be Good!“, an deren Schluss er das Thema in hoher Lage so spielt, als wäre der Flügel total verstimmt. Es sind diese kleinen Ideen und Späße, die jedem Arrangement nochmal eine eigene Note geben. So erklingt in Brahms Ungarischer Rhapsodie einmal kurz Beethovens „Für Elise“!

Die solistischen Stücke beweisen, welch große Talente hier zusammengefunden haben. Doch unschlagbar ist das Gershwin Piano Quartett in ganzer Stärke. Natürlich können sie ein sattes Fortissimo anschlagen, potenzieren sie doch das Klangvolumen eines Flügels; doch noch spannender sind die Zwischentöne, das Beherrschen der ganzen dynamischen Palette. Und dann werden plötzlich ganz andere Instrumente hörbar als die vier Steinways: eine Harfe, eine Mandoline, die gezupften Saiten eines Kontrabasses, ein Glockenspiel oder gar ein Hackbrett, wenn die Musiker die Saiten ihrer Flügel mit Hämmerchen von oben oder manuell zum Klingen bringen.

Zwar erkennt man die Werke sofort, weil sie den Orchesterfassungen natürlich recht nahekommen, doch faszinieren vor allem die Arrangements, die Platz für die persönlichen Interpretationen lassen. Mit einer beeindruckenden Selbstverständlichkeit gehen die vier Künstler hier ans Werk und spielen mit perfekter Synchronität. Dabei gewinnt des Gesamtklang an Facettenreichtum, weil jede Lage kunstvoll „besetzt ist“ und man hier statt mit zwei Händen und zehn Fingern achthändig und mit 40 Fingern spielt. In verschiedenen Allianzen gestalten Cheung, Desponds, Engeli und Wirth die Stücke, die sie sich natürlich selbst „auf den Leib“ arrangiert haben.

Als Zugabe erklingt ein mitreißendes „I Got Rhythm“ und damit der zweite Gershwin des Abends: Es war das erste Stück, das vor 25 Jahren für das Quartett entstand. Seitdem haben sie buchstäblich vielsaitig bewiesen, dass das für alle vier Künstler gleichermaßen zutrifft: They Got Rhythm!

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