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Elvis‘ erfolgreiche Erben

OESTRICH-WINKEL (12. August 2023). Ein spannendes Programm erwartete die Besucher des diesjährigen Schlossfests, zu dem das Rheingau Musik Festival nach Vollrads eingeladen hatte. Und vor allem ein buntes: Irish Folk mit den Damen von „Briste“, Latin, Funk und Jazz mit „Soultyzer“ und schließlich am frühen Abend das große Konzert von „The Baseballs“. Schon lange fährt das Festival mehrgleisig und bedient neben dem klassischen auch viele andere Geschmäcker. Das mag den schmerzen, der das eine oder andere Barockkonzert vermisst, doch ist dies ein kluger Schachzug, um eines der renommiertesten Musikfestivals auf sicheren Beinen in die Zukunft zu führen.

Und überhaupt: Gibt es nicht viel mehr Einendes als Trennendes zwischen der Musik, wie sie die Band „The Baseballs“ inszeniert und, sagen wir einer Johannespassion von Bach oder einem Orchesterkonzert mit Werken von Telemann und Muffat? Alle Akteure haben die Schönheit der Klänge vergangener Epochen für sich entdeckt, durchdringen und pflegen sie, bringen sie im Konzert einem interessierten Publikum nah – die einen spielen Barock, die anderen eben Rock’n’Roll. Beide betreiben dabei das gleiche: Kulturpflege. Und denselben Nenner hat – bei aller nötigen Wirtschaftlichkeit eines mittelständischen Unternehmens – auch das Rheingau Musik Festival.

„The Baseballs“ ist zwischenzeitlich auf zwei Stimmen geschrumpft und besteht nurmehr aus den Gründungsmitgliedern Sven „Sam“ Budja und Sebastian (Basti) Rätzel; erst im Juli verließ Rüdiger „Digger“ Brans die Formation, doch es geht auch als Duo weiter. Auf der Bühne im Schlosshof – „Soultyzer“ und „Briste“ traten am Herrenhaus und im Garten von Schloss Vollrads auf – wurden die beiden Vollblutmusiker wie gewohnt von einer fulminanten Combo aus E-Gitarre, Kontrabass und Schlagzeug begleitet, um die Vitalität von Rock’n’Roll und Rockabilly unter Beweis zu stellen.

„The Baseballs“ haben dabei nicht weniger als einen neuen Musikstil kreiert und nennen ihn „Voc’n’Roll“: Das Erfolgsrezept der 2007 gegründeten Band, die mittlerweile mehrere Studioalben veröffentlicht hat, besteht in der Bearbeitung großer Hits der letzten Jahre wie Madonnas „Like a Virgin“ oder Britney Spears‘ „Hit Me Baby“, die sie rhythmisch, vokal und instrumental in feinsten Rock’n’Roll verwandeln. Und dabei gewinnt mancher Songs sogar. Zwar scheiterte die Band, als man 2014 am Vorentscheid zum Eurovision Song Contest teilnahm – und angesichts dessen, was danach dort so zu hören und zu sehen war, fragt man sich wirklich, warum –, doch ihr Livepublikum haben die charismatischen Sänger mit der klassischen Tolle sofort im Griff. Elvis‘ Erben sind einfach gute Verwalter des klingenden Nachlasses einer musikalischen Ära, denn mit ihren pfiffigen Arrangements ist die Erbmasse bestens angelegt.

Der Auftritt im Rheingau ist Teil der „Hot Shots“-Tour, benannt nach dem aktuellen Album, das vor allem Hits der 1980er „vervoc’n’rollt“: Man hört Falcos „Rock me Amadeus“, „Super Trouper“ von Abba und Herbert Grönemeyers „Mambo“, dazwischen „Angels“ von Robbie Williams, Roxettes „She’s Got the Look oder „Umbrella“ von Rihanna. Und als Hommage an den „King“ wird auch „Jailhouse Rock“ angespielt. So, wie der große Jacques Loussier (in früheren Tagen Gast des Rheingau Musik Festivals) jeden klassischen Komponisten verjazzen konnte, wird bei „The Baseballs“ eben alles zu Rockabilly und Rock’n’Roll.

Das Publikum in Schloss Vollrads hält es teils auch nicht lange auf den Stühlen: Manche Dame ist im schicken Petticoat gekommen und gerne wird das Tanzbein geschwungen. Natürlich darf und soll auch gerne mitgesungen werden. Budja und Rätzel zeigen wie ihre Kollegen absolute Bühnenpräsenz. Mit hinreißendem Schmelz stimmen sie die Songs an und die Musiker glänzen mit satter Grundierung am Schlagbass, pulsenden Drums und knackigen Gitarrenriffs. Natürlich fehlt der dritte im Bunde – die Stimme von Rüdiger Brans war zu charakteristisch und die Trennung ist zu frisch. Der Stimmung dieses Abends tut das jedoch keinen Abbruch.

Einer der derart rockig gecoverten Hits der 1980er-Jahre ist auch „Don’t Worry, Be Happy“ von Bobby McFerrin. Als der Song über die Reben rund um Schloss Vollrads schallt, erinnert man sich vielleicht an den Sommer 2014: Damals sollte McFerrin im Thiersch-Saal des Wiesbadener Kurhauses auftreten, doch das war kurz zuvor durch einen Starkregen überflutet worden. Das Konzert musste abgesagt und verlegt werden, was der Künstler lakonisch mit ebendiesen Worten seines berühmten Songs kommentierte. Wochen später, als McFerrin dann in der Mainzer Phönixhalle auftrat, schüttete es ebenfalls wie aus Kübeln. Und auch am Tag des Schlossfests regnete es tagsüber, doch abends tauchte die Sonne den Rheingau in goldenes Licht – passend zum Strahlen der Musik von „The Baseballs“ und der anderen Künstlerinnen und Künstler des Abends.

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