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So geht Barock

KIEDRICH (5. Juli 2023). Am 6. Mai wurde in Westminster Abbey in London King Charles III. zum Monarchen des Vereinigten Königreichs und weiterer Länder des Commonwealth gekrönt. Dabei erklangen (wie seit ihrer Komposition im Jahr 1727 bei jeder englischen Krönung) die Coronation Anthems von Georg Friedrich Händel. Auch in Kloster Eberbach waren sie jetzt zu hören, wo man zwar keinen royalen Thronfolger begrüßen konnte, dafür jedoch Chor und Barockorchester der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Künste (HfMDK). Kein schlechter Tausch!

Das Rheingau Musik Festival tut gut daran, auch Ensembles aus der Region zu engagieren. Der Chor der HfMDK Frankfurt war dabei nicht zum ersten Mal zu Gast. Und nach diesem gemeinsamen Konzert mit der Cappella Academia, einem Barockorchester, in dem Studierende und Absolventen sowie Lehrende des Instituts für Historische Interpretationspraxis der HfMDK musizieren, sollte eine weitere Kooperation garantiert sein. Das Publikum erlebte auf jeden Fall ein Konzert, in dem die Vitalität pulsierender Barockmusik direkt erlebbar war.

Was natürlich auch an den Stücken lag: Händels vierteilige Coronation Anthems erklangen versetzt vor und nach Werken von Georg Muffat und Georg Philipp Telemann. Die Vokalstücke wurden von Chorleiter Florian Lohmann dirigiert, die Orchesterwerke vom Cembalo aus von Eva Maria Pollerus. So eine Arbeitsteilung birgt ja stets das Risiko, den oder die eine von beiden besser zu finden (und sich heimlich zu wünschen, er oder sie hätte das ganze Konzert dirigiert). Hier aber war man gleich doppelt beschenkt.

Lohmann führte den mit mehr als 80 Stimmen für Barockmusik üppig besetzten Chor mit klarem und geschmeidigem Dirigat, was der Klangkörper mit bemerkenswerter Transparenz, meist homogenem Klang und geschmackvoller Diktion erwiderte. Mit „Zadok the Priest“ (HWV 258) standen gleich zu Beginn monolithische Akkordblöcke im Raum, die schlichte Würde und Ehrfurcht ausstrahlten. Hier wurde jedoch kein König gefeiert, sondern die Musik!

Lohmann ließ den Chor delikate dynamische Bögen aussingen und man spürte, wie intensiv Sängerinnen und Sänger ein gemeinsames Ziel verfolgten. Dichte Klang- und glasklare Linienführung waren hier ebenso zu bestaunen wie die akzentuierte Fugenarbeit und beim Alleluja von „Let thy hand be strengthened“ (HWV 259) schienen sich die Stimmen in die Klangbrandung geradezu hineinzuwerfen. Dass als Zugabe das feurige „Alleluja“ aus dem Messiah erklang, erschien bei soviel barockem Pomp and Circumstance nur logisch – eine mitreißende Leistung des Hochschulchors!

Die war natürlich eng verknüpft mit der orchestralen Begleitung: Die Cappella Academica erwies sich hier als kongenial. Auch sie folgte dem Dirigat Lohmanns, der sich wie seine Kollegin Pollerus voll auf Konzertmeisterin Petra Müllejans verlassen konnte. So bekam man einmal mehr beispielhaft gezeigt, dass echte Musik im Ensemble nur als Gemeinschaftsprodukt entstehen kann.

Auch die Instrumentalisten musizierten schlicht hinreißend und nicht nur in Muffats Fasciculus III „Gratitudo“ aus dem „Florilegium primum“ zeigten sie sich vom Geist der Musik inspiriert und durchdrungen: In der g-Moll-Sonata Nr. 2 aus „Armonico Tributo“ ließ Pollerus das Orchester mit absolutem Legato derart dicht spielen, dass es in den dadurch eng geführten Modulationen fast schon zu Clusterbildungen kam; durch das höchst transparente Spiel aller wurde dies zu einer angenehm prickelnden Grenzerfahrung, wobei das Orchester jedoch stets Bodenhaftung behielt. So und nicht anders muss Muffat klingen!

Und Telemann: Lokalkolorit brachte die Cappella Academica mit dessen Concerto grosso für drei Trompeten und Orchester (TWV 54:D3) ins Spiel, denn das Werk wurde 1716 vom städtischen Musikdirektor Telemann persönlich auf dem Frankfurter Römerberg open air uraufgeführt. Mit Kloster Eberbach bekam es nun einen ehrwürdigen räumlichen Rahmen, wobei sich die Trompeten mit fast schon oboeskem Klang apart bei den Holzbläsern einzureihen schienen. Apropos: Das Oboen-Solo spielte Magdalena Carbow mit ganz hinreißend kantablem Ton – sie sei hier stellvertretend namentlich hervorgehoben: eine mustergültige Leistung aller Mitwirkenden also, der lange Applaus am Ende des Konzerts war mehr als verdient.

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