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Klingender Nikolausabend

WIESBADEN (6. Dezember 2023). Unsere Welt hat Entschleunigung und Ruhe bitter nötig – nie wird das so deutlich wie in der Zeit, in der Lieder wie „Stille Nacht“ gesungen werden. Derart kleine Inseln im merkantilen Trubel der Vorweihnachtszeit liefern Auftritte wie der des britischen A-cappella-Ensembles Voces8, das jetzt im Rahmen der Weihnachtskonzerte des Rheingau Musik Festivals in der Ringkirche sang.

Es gehört daher sicherlich nicht zu den besten Ideen, vor einem solchen Konzert den „Sternschnuppenmarkt“ in der Wiesbadener Innenstadt zu besuchen, denn dort erlebt man das volle Kontrastprogramm. Zwar hatte man in der ausverkauften Ringkirche auch keine unbedingte „Privatsphäre“, doch unterschied sich das Einnehmen der Plätze doch wohltuend vom glühweingeschwängerten Gedränge des Weihnachtsmarkts. Sternschnuppen gab es also anderswo (und wenn vor Ort, hätte man sich sicherlich gewünscht, dass das Publikum erst am Ende des Konzerts klatschen möge) – aber Voces8 schenkte einem auf jeden Fall einmal mehr eine musikalische Sternstunde.

2010 war das Ensemble erstmals Gast des Rheingau Musik Festivals, auch damals mit einem Weihnachtprogramm. Seither wird es gerne wieder eingeladen und erweist sich als Zuhörermagnet. Was sicherlich nicht nur an der vokalen Perfektion von Voces8, sondern auch an der charmanten und gewinnenden Art der Sängerinnen und Sänger liegt, mit denen sie ihre spannenden Programme darbieten. „Winter Tales“ heißt das ihrer aktuellen Tour und umfasst Werke vom 16. Jahrhundert über traditionelle Weihnachtslieder bis zu Auftragskompositionen des 1955 geborenen Bob Chilcott oder Stücken von Jonathan Rathbone (*1957) und Philip Stopford (*1977).

„Es ist ein Ros entsprungen“ von Michael Praetorius und „Bogoroditse Devo“ von Sergei Rachmaninow sind gewiss Standardstücke, doch eben auch Paradebeispiele für die hohe Kunstfertigkeit von Voces8. Unglaublich zart und transparent, dabei glasklar intoniert und doch alles andere als steril klingt der Choral und bei Rachmaninow erlebt man beispielhaft, wie man chorisch atmet: Der sanfte Melodienbogen, der sich zum Schluss hin zu einem angesichts der kleinen Besetzung beeindruckenden Forte steigert, bricht keine Sekunde lang ab. Auch das anschließende Traditional „Quelle est Cette Odeur Agréable?“ atmet Ruhe und Weite. In Chilcotts 2021 komponiertem „The Sleeping Child“ glänzt Sopran Molly Noon – sie sei stellvertretend für alle genannt – mit einem berückenden Solo und Stopfords „Lully, Lulla, Lullay“ berührt einen auch deshalb, weil es der Knaben gedenkt, die dem Kindermord von König Herodes zum Opfer fielen.

Mit „Maria durch ein Dornwald ging“ in einem Arrangement von Stefan Claas, Rathbones „The Oxen“ und einer ergreifenden Version von „Stille Nacht“, in der die Briten in ihrer Sprache einer nach dem anderen einsetzen, wird es langsam moderner und leichter Smooth Jazz leitet gekonnt zum musikalischen Kehraus über. „Let it Snow“ und „Santa Claus is Coming to Town“ bringen einen stilistisch dann eher wieder in Richtung Sternschuppenmarkt: Auch dies ist wahrlich perfekt gesungen, aber eben Geschmackssache, ob man Besinnliches und Swingendes wirklich in ein und demselben Konzert hören möchte. In Erinnerung bleibt auf jeden Fall die klingende Beschaulichkeit – schöner hätte man den Nikolausabend kaum begehen können.

Voces8 hat einen eigenen YouTube-Kanal: https://www.youtube.com/channel/UC3UpGPbOIOG6IaUijyRpp6Q/

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