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Dvořáks neunte Sinfonie à 6 Celli

JOHANNISBERG (7. Juli 2024). Antonín Dvořák starb vor 120 Jahren, was aktuell eigentlich kaum Grund ist, seiner besonders zu gedenken. Das Rheingau Musik Festival ließ sich davon dennoch inspirieren und widmet dem tschechischen Komponisten in dieser Saison das Rampenlicht in Form von zehn „Spot on“-Konzerten. Auf Schloss Johannisberg gab es jetzt unter dem Titel „Cellomania“ zwei Orchesterwerke in destillierter Form: das h-Moll-Konzert für Violoncello op. 104 in einer Bearbeitung für fünf sowie die neunte Sinfonie „Aus der neuen Welt“ op. 95 arrangiert für sechs Celli. Es spielten Maximilian Hornung, Thomas Grossenbacher, Paul Handschke, Sandro Meszaros sowie Anna Tyka und Benjamin Nyffenegger.

Laut Programmheft, das leider kein Wort zu den Bearbeitungen und ihrer Intention verliert, ist zu lesen, dass das Arrangieren klassischer Musik von Fachleuten zuweilen umstritten sei. Gewiss: Es verfremdet das Original, zum Teil sicherlich auch bewusst. Aber es ist auch ein Beschäftigen mit der Musik über deren reine Wiedergabe hinaus. Mag man mit Essen nicht spielen dürfen: Mit klassischer Musik ist es erlaubt, ja erwünscht!

Arrangieren ist ein solches Spielen, auch ein Experimentieren, ein Zerlegen und wieder Neuzusammensetzen. Dabei kommt buchstäblich etwas Synthetisches heraus, das der Vorlage mehr oder weniger ähnelt. Das ist immer unglaublich spannend, selbst wenn das Ergebnis letztendlich vielleicht nicht überzeugen mag. Natürlich kann (und will!) eine Bearbeitung das Original nie ersetzen, aber sie schärft stets den Blick auf die Musik. Und im besten Fall erweitert sie ihn. Wie an diesem Abend mit Dvořák auf 20 bzw. 24 Saiten – das hat was.

Es ist schon mal diese warme, ganz eigene Klangfarbe des Violoncellos, die besticht: Sein Tonumfang beträgt mehr als vier Oktaven, mit dem obertönigen Flageolett fast fünf. Nimmt man das mal fünf oder sechs und nimmt Doppelgriffe dazu, hat man schon ein beachtliches Tonarsenal, auf das man die 19 Harmoniestimmen und das Solocello in Dvořáks Opus 104 verteilen kann (in Opus 95 sind es fast 30). Beide Arrangements des Konzerts stammen von Paul Handschke, der da eine ganz eigene Tonwelt erschafft.

Indem er das Soloinstrument – hier anrührend gespielt von Maximilian Hornung – von vier „Artgenossen“ flankieren lässt, beraubt er es seiner klanglichen Alleinstellung: Mögen die vier Celli auch die orchestrale Begleitung geben, spielen sie doch ebenfalls solistisch. Damit ist Hornung wortwörtlich „primus inter pares“. Seine Dialoge mit „Tuttistimmen“ führen zu pikanter Dopplung und man merkt stets, wie gut die Musiker mit ihrer Kollegin kommunizieren. Das Cellokonzert bekommt durch die Bearbeitung eine kammermusikalische Form, wird quasi zum Streichquintett, das den ohnehin melancholisch-süßen Ton des Soloinstruments potenziert.

In der Sinfonie wird dieses Kompakte dann aufgebrochen, zu vielschichtig ist die Musik. Aber auch hier atmet die Gruppe, jetzt als Sextett, wie ein Organismus. Und das zweite Stück ist noch spannender, weil man die einzelnen Themen und den Werkzusammenhang von Opus 95 besser kennt. Dadurch erweist sich die Bearbeitung tatsächlich als „Spot on“-Konzert. Die sechs Celli bedienen sich wohl aller Stricharten und erschaffen so im Spiel der Akkorde eine Stimmung, die einen das Fehlen des großen Klangapparats mit seinen perkussiven Elementen fast vergessen lässt. Das Musizieren des Ensembles ist zuweilen unglaublich dicht: Im fahlen Beginn des Largos meint man fast ein Akkordeon zu hören!

Am Ende ist das Publikum jedenfalls zu Recht aus dem Häuschen, das „Experiment“ also offenbar geglückt. Auch Hornung, Grossenbacher, Meszaros und die Nyffeneggers beklatschen ihren Arrangeur Paul Handschke. Und Schloss Johannisberg ist um ein „Spot on: Cello“-Konzert reicher: Im vergangenen Jahr gastierte hier Abel Selaocoe, der sein Instrument ebenfalls in ein besonderes Licht rückte. Wo es auf jeden Fall hingehört.

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