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Wo sich Oskar Schindler mit E. T. trifft

WIESBADEN (19. Juli 2024). „Ben Hur“, „Der Pate“, „E. T. – der Außerirdische“, „Krieg der Sterne“ oder „Doktor Schiwago“: All diese Filme sind ohne Frage großartige Streifen, die Story spannend und ergreifend, das Spiel der Mimen packend. Und doch brauchen sie eines, um zu jenem großen Kunstwerk zu werden, das die Massen in die Kinosäle lockt: Filmmusik. „Ohne John Williams können Fahrräder nicht fliegen, keine Besen in Quidditch-Turnieren und keine Männer in roten Umhängen“, sagte einmal Regisseur Steven Spielberg, der zusammen mit diesem Komponisten Epochales geschaffen hat.

Das Rheingau Musik Festival weiß um die Magie der Filmmusik und hat ihr mit „Spot on: Hollywood“ in diesem Jahr ein Schwerpunktthema gewidmet: 13 Konzerte betrachten den Soundtrack mit verschiedenen Formaten und Besetzungen aus diversen Blickwinkeln. Nachdem im Wiesbadener Kurpark am Vorabend Tenor Jonas Kaufmann mit der Deutschen Radio Philharmonie in „The Sound of the Movies“ zu hören war (Kartenpreise zwischen 75 und 235 Euro), zog das Schweizer City Light Symphony Orchestra unter der Leitung des Briten Kevin Griffiths jetzt mit dem Programm „And the Oscar goes to …“ nach: preisgekrönte Filmmusiken, musiziert an einem lauschigen Sommerabend in feiner Kulisse.

Überhaupt ist das Sujet ja beliebt: Wer lieber daheimbleibt, bekommt just an diesem Abend im Fernsehen Ähnliches serviert, wo beim RBB die 23. Elblandfestspiele mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg zu sehen sind, einen Tag später gefolgt von „Klassik am Odeonsplatz“ in München auf 3sat, wo Anne-Sophie Mutter mit den Münchner Philharmoniker nter anderem Soundtracks von John Williams interpretiert. Die Musikerinnen und Musiker des City Light Symphony Orchestra spielen beim Rheingau Musik Festival die großen Melodien aus Filmen wie „Indiana Jones“, „Robin Hood“ oder „Der mit dem Wolf tanzt“ sowie den anfangs genannten Streifen mit Verve und das Publikum spürt schnell, warum gerade diese Musiken die begehrte goldene Statue erhielten.

Aber das Konzert krankt an einer Tatsache: So sehr, wie die Filme der Musik bedürfen, um ihre Magie zu entfalten, sind auch die Soundtracks auf das bewegte Bild angewiesen. Spielberg hat ja Recht, doch umgekehrt wird auch ein Schuh draus: Ohne visuell wahrnehmbare Fahrräder, Besen in Quidditch-Turnieren oder Männer in roten Umhängen haben die Klänge nichts, was sie fliegen lassen können. So werden höchstens ein paar Erinnerungen an telekommunikationsfreudige Leuchtfinger oder auftragsmordende Patenonkel (und im Fall von Komponist Elmer Bernsteins Sound für „Die glorreichen Sieben“ auch an die legendäre Kinowerbung für Marlboro) geweckt.

Im Kurpark erlebt man also ein auf jeden Fall ambitioniert musiziertes Konzert aus erinnerungswürdigen Soundtracks. Die Solisten des aus professionellen Musikern gecasteten und auf Filmmusik spezialisierten Klangkörpers aus Luzern können ebenfalls überzeugen, einzig im Blech knarzt mancher Einsatz. Aber ohne Bilder verhallt die Musik, ohne ihre eigentliche Kraft entfalten zu können. Die wenigen Lichteffekte in der Konzertmuschel wirken da eher hilflos und regen mit den stilisierten Raumgleitern aus Klammer auf, Gedankenstrich und Klammer zu bei „Star Wars“ höchstens zum Schmunzeln an.

Letztendlich bleibt das von ProSieben-Moderator Stefan Gödde kommentierte Konzert eine Nummernrevue, bei der Filme wie „Schindlers Liste“ und „James Bond“ bedenkenlos in einen Topf geworfen werden. Das mag einem persönlich nicht zusagen, dem begeisterten Publikum im Kurpark aber gefällt’s. Und das ist am Ende des Tages – zumal für ein Festival, das so gut wie nicht von der öffentlichen Hand genährt wird – ja die Hauptsache.

Randnotiz: Bei der Suite aus „Doktor Schiwago“ von Maurice Jarre (1924-2009) kam einem unweigerlich ein bestimmter, fast 50 Jahre alter Fernsehsketch in den Sinn. Es wäre interessant zu erfahren, ob es auch anderen so ging: https://www.youtube.com/watch?v=IeaJcyFLaJ4 .

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