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Zart besaiteter Bach

KIEDRICH (27. Juli 2025). Johann Sebastian Bach schrieb seine „Goldberg-Variationen“ für das Cembalo. Natürlich klingen sie auch auf einem Flügel wunderbar, kann der dynamische Anschlag der Musik doch noch mehr Tiefe verleihen, ohne sie zu romantisieren. Natürlich existieren mittlerweile auch diverse Arrangements, die sich mal mehr, mal weniger dafür eignen, sich dem Werk zu nähern. Schließlich gehört BWV 988 zu den anspruchsvollsten Klavierstücken Bachs, deren innere Strukturen viele der ausgeklügelsten Konzepte aus der Barockmusik enthalten.

So gibt es beispielsweise eine wunderbare Einspielung des Duo Synaphé mit Dimitar Ivanov und Angela Kleger, die die Goldberg-Variationen auf zwei zehnsaitigen Gitarren interpretieren. Die beiden Gitarristen Thibaut Garcia – einer der Focus-Künstler der laufenden Festivalsaison – und Antoine Morinière, die jetzt im Rheingau Musik Festival zu hören waren, haben sich eigens für ihre Interpretation des berühmten Werks vom französischen Gitarrenbauer Hugo Cuvillier zwei Zwillingsinstrumente schaffen lassen. Die normal sechssaitig bespannten Instrumente sind aus dem Holz desselben Baumes gebaut.

Zwei Gitarren, zwei Künstler, die auf ihnen mit vier Händen spielen: Und doch ist es, als lauschte man im ausverkauften Laiendormitorium von Kloster Eberbach nur einem Instrument, denn die meisterhafte Interpretation von BWV 988 – die Musik begleitet die beiden befreundeten Musiker, seitdem sie sich vor 15 Jahren kennenlernten – entspringt hörbar dem gleichen musikalischen Denken und Fühlen. Das Werk, das mit seiner faszinierenden Klangarchitektur wunderbar in das Kreuzgewölbe des Dormitoriums passt, entfaltet in der Wiedergabe auf zwei Gitarren eine besondere Intimität, die auch noch schwingt, lange nachdem der letzte Ton verklungen ist. Dass das Publikum das ohne Pause gespielte Konzert dankenswerterweise ohne störendes Klatschen zwischen den einzelnen Variationen genoss, lag sicher auch daran, dass Garcia und Morinière ihre Zuhörer unmittelbar in den Bann dieser wundervollen Musik zogen.

Die Aria nimmt augenzwinkernd Bezug auf die Legende, dass Bach sein Werk für jenen Johann Gottlieb Goldberg schrieb, damit dieser die Variationen dem an Schlaflosigkeit leidenden Grafen Hermann Carl von Keyserlingk zur Beruhigung spielen sollte: Langsam klingen die Melodien ineinander und man denkt unweigerlich an eine Spieluhr, die bald am Ende ihrer Laufzeit angekommen ist und nur noch wenige, fast schon erlöschende Töne spielt. Doch die ansprechend zart intonierte Eröffnung mit ihren retardierenden Momenten bildet bei den beiden Künstlern vielmehr das Entrée zu einem Kosmos, der die bekannten Melodien von einer klanglich neuen und wundervollen Seite erleben lässt.

Tatsächlich kommt die Darbietung auf zwei Gitarren dem Originalwerk für Cembalo am nächsten, da dieses Instrument zwei Tastaturen hat: Der Spieler kann mit seinen Händen auf beiden Manualen einen höheren Kontrast als auf einem modernen Klavier erzeugen. Bei Garcia und Morinière verleiht die Dopplung der Resonanzkörper dem Klang noch einmal mehr Kontur. Zudem kann ein Gitarrist die Töne viel mehr formen und färben. Die Interpretation leuchtet transparent, die Musik erklingt geradezu mit sphärischem Schwingen und ist dennoch von einer bestechenden Präsenz.

Dabei drängen sich Bilder auf: von einem Storche, der hochbeinig durchs Gras stakst, von emsigen Ameisen oder zwei sich kabbelnden Katzen, wie sie die Bäume rauf und runterflitzen. Jede Variation bekommt ihren eigenen Charakter, steht im Kontext und doch solitär, wobei gerade die getragenen Linien an John Dowland denken lassen und das Adagio von Variatio 25 eine geschmackvoll zartbittere Note hat.

War es Idee und Wunsch der beiden Künstler, dass man ihr Spiel nicht als das eines Duos, sondern als Einheit hört, hat man tatsächlich zuweilen den Eindruck einer schlichten Zweistimmigkeit. Garcia und Morinière spielen äußerst filigran, können aber durchaus auch polyphon zupacken. Und wie beim Kochen, wo man durch Reduktion die Aromen hervorhebt, schaffen die beiden Gitarristen es auch bei Bach, die Intensivität der Musik durch Verschlankung exponentiell zu steigern. Und so war auch das Konzert vom ersten Ton der Aria bis zum letzten ihrer Reprise, den Morinière bewusst herauszögert, ein Genuss.

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