Besuch der alten Dame
JOHANNISBERG (10. Juli 2025). In diesem Jahr rückt das Rheingau Musik Festival Spanien in den Mittelpunkt und widmet ihm gleich 15 Konzerte, die die Musik sowie Künstlerinnen und Künstler des Landes präsentieren. Eines davon gestalteten jetzt mit der Kastagnetten-Spielerin Lucero Tena und dem Harfenisten Xavier de Maistre zwei unbestrittene Größen ihres Fachs. Die Etikette gebieten es, über das Alter einer Dame zu schweigen, doch hier sei dies kurz ignoriert: Im September wird die Spanierin 87 Jahre alt, doch noch immer versprüht sie mit ihren hölzernen Klappern feuriges Temperament.
Größer konnten die Gegensätze übrigens kaum sein: auf der einen Seite der großgewachsene de Maistre, auf der anderen Seite die zierliche Tena, die ihre Kastagnetten in der Handtasche transportieren könnte, während ihr Kollege für die Konzertharfe auf jeden Fall einen speziellen Koffer braucht. Doch beide Künstler ergänzen sich auch, schließlich fand der Harfenspieler in der Kollegin nach eigenen Worten „das echte Spanien in all seiner temperamentvollen Einzigartigkeit, seiner Größe, Melancholie und Energie“.
Dass die Grand Dame in Musikerkreisen als die Personifizierung ihrer Heimat gilt und in einer früheren Karriere als Flamenco-Tänzerin reüssierte, macht sie natürlich zur perfekten Partnerin de Maistres, der für dieses Programm Werke spanischer Komponisten für Harfe bearbeitet hat, womit beide laut Festival aktuell durch Europa und Fernost touren. Man hört Stücke von Isaac Albéniz, Mateo Pérez de Albéniz (zwischen denen kein Verwandtschaftsverhältnis besteht), Manuel de Falla, Enrique Granados, Antonio Soler und Francisco Tárrega. Neben zwei Cembalosonaten sind es natürlich vor allem Werke für Gitarre, die de Maistre für sein Instrument einrichtete und ihnen durch die Polyphonie der Harfe eine noch intensivere Klangdimension schenkt.
2016 hatten beide Künstler mit „Serenata Española“ eine gemeinsame CD aufgenommen. Tárrega ist hier und war auch an diesem Abend mit seinen „Recuerdos de la Alhambra“ vertreten, die de Maistre mit einem zauberhaften Piano pianissimo spielte, so dass die berühmte fallende Stecknadel im Fürst-von-Metternich-Saal auf Schloss Johannisberg vergleichsweise einen Höllenlärm verursacht hätte. Weitere bekannte Stücke kamen aus Albéniz‘ „Suite española“. Einige dieser Werke wurden von Tena rhythmisch verstärkt, die mit ihren Kastagnetten das spanische Flair des Konzerts noch greifbarer machte. Allerdings verlieh gerade dies den Stücken auch phasenweise eine Einheitsform, was die Originalität der Arrangements zwar nicht unbedingt störte, aber doch hemmte.
Denn es war vor allem die Harfe, die die Güte des Konzerts bestimmte: De Maistre schenkt dem Publikum mit seinen Adaptionen durchaus neue Sicht- respektive Hörweisen auf die Musik, die er mit retardierenden Momenten, rauschenden Glissandi, dynamischen Wellen und schwirrenden Tönen geradezu in Klangwolken hüllt. Im Gedächtnis blieb vor allem der sensible Saitenanschlag der Harfe gegenüber dem eher rustikalen Ton der Gitarre, diese feine Balance zwischen Melancholie und rhythmischer Kontur. Denn de Maistre kann auch kraftvoll zupacken und lotete vor allem in Albéniz „Asturias“ lustvoll die Grenzen seines Instruments aus.