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Konzerthalle wird zur Kirche

INGELHEIM (8. Februar 2019). Unter dem Kürzel „ICE“ sollte im Telefonbuch eines Handys jene Nummer stehen, unter der man – im Notfall, eben „in case of emergency“ – den nächsten Angehörigen erreicht. Bei Prof. Felix Koch dürfte sich hinter „ICE“ indes seine Hochschulkollegin Elisabeth Scholl finden: Kurzerhand sprang sie zum jüngsten Konzert von UniChor und UniOrchester für die erkrankte Sopranistin ein – gleiches Engagement hatte sie bereits im vergangenen November an den Tag gelegt, als Kochs Gutenberg-Kammerchor in Mainz und Frankfurt ein Schütz-Programm sang.

Selbst dieses klein besetzte Ensemble wäre aber zu groß gewesen, hätte Koch die „Petite Messe Solennelle“ von Gioachino Rossini (1813-1901) in ihrer ursprünglichen Version hätte aufführen wollen: Bevor der Komponist eine Orchesterfassung schrieb, besetzte er die Messe mit gerade mal zwölf Stimmen, zwei Klavieren und Harmonium. Nun hat Koch als Leiter des Collegium musicum in dessen Semesterkonzerten weit mehr Personal zu beschäftigen.

Weil die Rheingoldhalle renoviert wird, ist der amtierende Stadtmusiker in Mainz derzeit ein „König ohne Reich“, sprich: ein Dirigent ohne geeigneten Konzertort. Also eroberte er mit seinen schlagkräftigen Truppen, den fast 150 Stimmen des UniChors und dem rund 80-köpfigen UniOrchester, an zwei Abenden die Ingelheimer „kING“ – und das Publikum im Sturm. Aus beiden Klangkörpern vermag Koch immer wieder Leistungen hervorzukitzeln, die wenig Wünsche offenlassen. So auch in diesem Konzert: Die transparente Fuge im „Cum sancto Spirito“ oder das „Amen“ im „Credo“ waren solch beseelte Momente.

Leider gab es im ersten der beiden Konzerte auch andere: Die vielversprechenden Solisten waren zuvor im bundesweiten Förderprogramm des Gutenberg-Gesangsstipendiums ermittelt worden. Und vor allem Tenor Minhyung Cha machte mit spielerischer Höhe eine gute Figur, wohingegen die anderen Stipendiaten nicht ganz so überzeugen konnten: Im Pausengespräch erfuhr man von der ebenfalls angeschlagenen Gesundheit der Altistin Ruth Katharina Peeck und Bariton Timon Führ hatte in der Tiefe deutliche Defizite, gefiel allerdings auch mit ausgesungenen Bögen, deren Schlusspunkte wie mit kräftigem Pinselstrich markiert wirkten.

Im Ensemble fiel die Leistung der Solisten aber recht zurückhaltend aus, was man nach der überflüssigen Pause dann akustisch ausgerechnet durch Hallverstärkung aufzupeppen versuchte: Diese plötzliche Präsenz klang jedoch vor allem künstlich, zumal der stimmlich weitaus stärkere Chor viel weniger nachklang. Dafür konnten die Interpreten des konzertant unterm Strich gelungenen (und mit Verdis Ouvertüre zu „La forza del destino“ eröffneten) Abends freilich wenig. Sollten UniChor und UniOrchester erneut im wunderbaren Konzertsaal der „kING“ gastieren, wird man diese Problematik hoffentlich im Griff haben.

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