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Gesang, der alle Dimensonen erfasst

BINGEN (27. Juli 2019). Dass sich eine oder mehrere Stimmen mit Instrumenten zu einem faszinierenden Tutti mischen, erlebt man glücklicherweise nicht allzu selten. Doch so, wie der Sopran von Nuria Rial sich mit den Musikern von Les Cornets Noirs vermählt, das ist schon ein Erlebnis.

Andererseits: Wie könnte es auch anders sein, denn zu diesem Konzert in der Binger Basilika St. Martin präsentiert das Festival RheinVokal mit die besten ihrer Zunft – allen voran die famosen Zinkenisten und Ensemblegründer Gebhard David und Frithjof Smith, begleitet von zwei Geigen, Barockcello, Theorbe und Orgel.

Der Zink gehört, obgleich aus Holz gefertigt, als chromatische Grifflochtrompete zu den Blechblasinstrumenten und vereint die Präsenz einer Naturtrompete mit dem warmen Ton der Oboe und dem lustvollen Klang der Klarinette. Les Cornets Noirs bestreitet die Hälfte des Konzerts instrumental in verschieden besetzten Sonaten von Giovanni Legrenzi, Johann Rosenmüller oder Biagio Marini. Beispielhaft könnte jedes Werk genannt werden, hier sei es Dario Castellos Sonata duodecima mit engagierter Dialogführung und schönen Solokadenzen wie Echoeffekten.

Der Klang des Zink oder Cornetto erinnert an die menschliche Stimme, was gemeinsam mit Nuria Rial fesselnd zum Tragen kommt. Gemeinsam musiziert die Sängerin mit Les Cornets Noirs Werke von Legrenzi, Maurizio Cazzati oder Heinrich Schütz. Dass die ursprünglich mehrstimmige Motette „Pulchra es“ von Giovanni Pierluigi da Palestrina in der 1620 veröffentlichten Deduktion von Franceso Rogoni keine Reduktion sein muss, beweist Rial trefflich.

Ihr Gesang, den sie gestisch emotional untermalt, hat in der Tat etwas Bewegtes und auch dadurch Bewegendes. Sie zeichnet die Melismen mal zart, mal blutvoll gleichsam in den Raum, den sie mit ihrem Gesang wiederum selbst erschafft: Wird das Echo in Schütz‘ „Meine Seele erhebt den Herrn“ (SWV 344) noch in dynamischer Abschwächung dargestellt, so gelingt Rial in Legrenzis Motette „O dilectissime Jesu“ das Kunststück, durch sekundenschnellen Wechsel der Tonstärke so etwas wie eine klangliche Dreidimensionalität zu erschaffen. Und mit der Vitalität, mit der die Künstlerin die Musik des 17. Jahrhunderts ins Heute zieht, überwindet sie sogar die zeitlichen Schranken der vierten Dimension mühelos.

Reinste Intonation, die Leichtigkeit und Eleganz eines Schmetterlings, lichtes Strahlen und wohl kanalisierter Melodiefluss sind weitere Markenzeichen dieser großen Sängerin: Rial überlässt nichts dem Zufall, in ihren geschmeidigen Koloraturen hat jede Note Relevanz. Und doch klingt diese höchste Konzentration in keinem Augenblick wie ein Kraftakt, sondern authentisch und beneidenswert natürlich.

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