Deutschland-Debüt von Voces8 2012 bei RheinVokal
INGELHEIM (4. August 2024). Laut SWR-Redakteurin Sabine Fallenstein, die als Mitveranstalterin von RheinVokal das Publikum in der ausverkauften kING begrüßt, ist der Abend mit Voces8 Auftakt einer Konzertreihe anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Weltklasse-A-cappella-Gruppe, die sie nun ein Jahr lang auf Trab halten wird. Zwei der Mitglieder müssen sofort nach der letzten Zugabe den Flieger nehmen – Termine in den USA stehen an. Der Rest des Ensembles darf sich noch ein wenig am Merchandise-Stand feiern lassen: Voces8, das sind Künstlerinnen und Künstler zum Anfassen (geblieben).
2012 waren sie erstmals zu Gast bei RheinVokal – damals in der Basilika St. Kastor in Koblenz – und begeisterten ihr Publikum mit dem Programm „Cantate Domino“. Es war ihr erstes Gastspiel in Deutschland überhaupt, mittlerweile sind sie bei allen großen Festivals zuhause. Diesmal laden die Sängerinnen und Sänger aus London zu einem nächtlichen Spaziergang durch ihre Heimatstadt ein: „London by Night“ heißt das Programm. Stilistische Vielseitigkeit ist jedoch auch hier angesagt: Das Publikum bekommt Musik von William Byrd und Orlando Gibbons bis Van Morrison, Kate Rusby und Mumford & Sons zu hören.
Die kING ist natürlich nicht die erste Wahl, wenn man an ein derart klein besetztes A-cappella-Ensemble denkt: Die vorherrschende Akustik ist trocken und legt jeden noch so kleinen Makel unbarmherzig frei. Oder besser: würde freilegen, denn Voces8 kann es sich erlauben, selbst hier zu singen und besteht den Lackmustest tadellos: Intonation und Transparenz dieser Gruppe sind formvollendet, fast schon einen Hauch zu perfekt. Steril klingt trotzdem kein Akkord – im Gegenteil: Der Gesang dieses Ensembles atmet eine unglaublich leichtfüßige Natürlichkeit, die sie jedes Stück singen lässt, als würde es ihnen im Moment und einfach so zufliegen. Das vom SWR mitgeschnittene Konzert wird am 16. Oktober in der Reihe ARD-Konzert gesendet und dann natürlich raumakustisch noch etwas aufgehübscht – in der kING scheint der Gesang von Voces8 nur minimal mit Hall unterlegt, so dass der Klang der acht Stimmen perfekt abgemischt ins Publikum strahlt.
Voces8 kann nicht nur überall, sondern auch alles singen: Benjamin Brittens „Choral Dances“ op. 53 aus der Oper „Gloriana“ gehen ihnen genauso elegant von den Lippen wie das mit disharmonischen Passagen gespickte „Love Endureth“ der 1968 geborenen Roxanna Panufnik, das sogar in einer Dissonanz endet. Auch Thomas Tallis hat im 16. Jahrhundert in „O nata lux de lumine“ mit diesem Stilmittel gearbeitet und so, wie Voces8 diese Dissonanzen auflöst, ist es fast körperlich spürbar. Textausdeutung geht hier immer mit der Musik Hand in Hand. Brillant klingen auch die zartbitteren Modulationen in Charles V. Stanfords „Beati quorum via“ aus dessen Opus 38. Ein solches Ensemble setzt Maßstäbe. Dass es einem damit nolens volens erschwert, andere und vielleicht nicht ganz so gute Gruppen zu goutieren, sieht Voces8 indes als Auftrag und gibt gerne Meisterklassen und Workshops.
Aus der Gründergeneration sind noch Sopranistin Andrea Haines und Altus Barnaby Smith, der auch Künstlerischer Leiter ist, an Bord. Doch auch die jüngeren Stimmen passen sich nahtlos in diesen perfekten Ensembleklang ein, der seinesgleichen sucht. Im zweiten Teil glänzt man mit Madrigalen von Gibbons und Thomas Weelkes sowie mit Swing-Nummern wie „London by Night“ von Carroll Coates in einem Arrangement von Gene Puerling, was dem Programm auch seinen Titel gibt. Das eloquent, sympathisch und zuweilen auch sehr persönlich moderierte Konzert endet mit dem von Alexander L’Estrange arrangierten „Come Fly with Me to the Moon“ von Bart Howard, Jimmy Van Heusen und Sammy Cahn: Voces8 muss nur seine Stimmen erheben und schon wähnt man sich auf genau dieser Reise.