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Siegreich in Kampf und Liebe

ELTVILLE (4. Juni 2017). Erst jüngst rühmte der Sänger Klaus Mertens als einer der führenden Interpreten Alter Musik das Schaffen Georg Friedrich Händels und betonte dessen Fokussierung auf Oper und Oratorium. Nun gestaltete der Bariton selbst die Rolle des Caleb in einem von Händels damals erfolgreichsten Bühnenwerken: „Joshua“, im Sommer 1747 in nur einem Monat komponiert und im folgenden Frühjahr in London uraufgeführt.

Heute werden diese Werke dieses Genres seltener und wenn, dann eher konzertant dargeboten – wie jetzt in Kloster Eberbach mit der Schiersteiner Kantorei und dem auf historischen Instrumenten musizierenden Bach-Ensemble Wiesbaden unter der Leitung von Martin Lutz, der für seine Musiker mangels einer genügenden Notenedition eigens den Autographen abgeschrieben hatte. Bei Händels Oratorien stellen sich die Musiker zudem stets einer besonderen Herausforderung: das ursprünglich szenische Werk so zu gestalten, als sehe man die Handlung zumindest vor dem inneren Auge, während man Händels Chören, Rezitativen und Arien lauscht.

Was in Eberbach klappt: Neben Mertens sind mit Hannah Morrison (Sopran), Franz Vitzthum (Altus) und Andreas Weller (Tenor) weitere Spitzensolisten zu hören, die ihre Partien mit ergreifender Vitalität zu gestalten wissen. Da braucht man gar nicht auf die äußerst plakativ auskomponierten Szene zu warten, in denen das Volk Israel mit mächtigen Fanfarenstößen die Stadt Jericho erstürmt: Mit Verve werden die Zuhörer in Kloster Eberbach ins Dargestellte hineingezogen.

Wie auch nicht? Die Historie mit ihrem waffenklirrenden Goût ist packend und kontrastreich aufgelockert durch die hinzudichtete Liebesgeschichte zwischen Calebs Tochter Achsah und Feldherr Othniel: Als Soldat und Galan in Personalunion überzeugt Vitzthum eher mit lyrischer Weite als martialischer Härte und Morrisons blitzender Sopran schenkt der Angebeteten ein strahlendes Gesicht, aus dem Koloraturen mit Leichtigkeit und Spannkraft sprudeln.

Die Titelrolle des Joshua singt Weller mit distanzierter Autorität, was jedoch eher der phasenweise zurückhaltenden Tempowahl geschuldet ist, und Sonja Grevenbrock (Sopran) gestaltet die kleine Rolle als Engel wunderschön. Klaus Mertens gibt den Caleb, der seine Tochter für kriegerischen Erfolg ausschreibt, als selbstbewussten Patriarchen: Seine Dramatik ist, obwohl (oder weil?) niemals vordergründig aufgetragen, kaum intensiver zu gestalten, der Bariton hat eine Brillanz, die schlicht süchtig nach mehr macht.

Das üppig besetzte Bach-Ensemble überzeugt mit robuster Präsenz – nicht nur als die Bläser die Mauern von Jericho zum Einsturz bringen oder der Held nach der Schlacht gefeiert wird: Lutz setzt auf heroischen Gestus, seine Musiker geben die jubelnde Masse, der es dennoch nicht an Transparenz und Homogenität gebricht. Und man trifft alte Bekannte: Händels Chorsatz „See the conqu’ring hero comes“ aus dem Jahr 1747 wurde 73 Jahre später zum Weihnachtslied „Tochter Zion“. Der Original-Cantus mag als Referenz für die chorische Gesamtleistung dienen: genau, satt, effektvoll und (nicht selbstverständlich!) mit elegantem Kunstenglisch – also durchaus ein schönes, vorgezogenes Weihnachtsgeschenk.

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