Barockgrößen über die Schulter geschaut
PARTENHEIM (17. September 2023). Zu den drei Komponisten, die im Mittelpunkt des zweiten Konzerts der diesjährigen Internationalen Musiktage mitten in Rheinhessen „Furioso!Barock“ standen, sagte der Blockflötist Michael Schneider einmal: „Händel erhebt mich, Bach ergreift mich und Telemann spricht mich an.“ Besser könne man es nicht sagen, meinte auch der Cellist Felix Koch, der als Künstlerischer Leiter des Festivals den Flötisten zusammen mit Wiebke Weidanz am Cembalo in der schmucken Kirche St. Peter begrüßte.
Auf dem Programm standen Werke jenes barocken Komponistentrios, die allesamt ein Faible für die Blockflöte hatten. Die gespielten Stücke entstanden indes meist nicht originär für dieses Instrument, aber da die Schöpfer sie ohnehin nicht zuletzt der besseren Vermarktung wegen selbst anders besetzten, ergab genau dieses Vorgehen durch Koch und Schneider ein Mehr an Klangfarbe und Kontur vermeintlich bekannter Musik. Außerdem werden die Komponisten beim Schreiben ihrer Werke sowieso mit anderen Instrumenten experimentiert haben, womit die Musikerinnen und Musiker das Publikum ganz nah an den Schöpfungsprozess heranführten.
Über grundsolidem Continuo-Spiel von Weidanz, das zweimal von Annette Schneider am zweiten Violoncello ergänzt wurde, glänzten Schneider und Koch um die Wette, wobei der kantable Ton des Streichers dem singenden Kang der Blockflöte in Nichts nachstand. Anders als Kollegen seiner Zunft spart Schneider an Mimik und Gestik, stellt einzig die Musik in den Mittelpunkt. Hochvirtuos war das alles, mit agogischen Winkelzügen und rasanten Tempi kunstvoll in Szene gesetzt und in der Tat erhebend, ergreifend und ansprechend. Besonders hervorgehoben sei das erste Adagio von Händels D-Dur-Sonate (HWV 378), die Schneider mit der Voiceflute spielte: Der Flötenton trug die Melodie und der Hörer fühlte sich sanft mitgezogen – ein wundervoller Moment.
In kurzen Anmoderationen, in denen sich die Künstler die Bälle munter zuwarfen und somit ein wenig in die Rollen der Komponisten schlüpften – Bach und Telemann kannten sich gut, Telemann und Händel ebenfalls –, erfuhr das Auditorium einiges über diese Meister der Alten Musik und ihre Arbeitstechniken. Auch die Musiker probierten spannende Ideen aus, indem zum Beispiel die Oberstimme in Telemanns c-Moll-Sonatine TWV 41:c2 mal von der Flöte, mal vom Cello und im finalen Vivace sogar von beiden Instrumenten unisono gespielt wurde.
Als Solostücke erklangen Sätze aus Bachs Französischer Suite BWV 813, die Schneider ansprechend für sein Instrument bearbeitet hatte sowie für Cembalo die Ouvertüre zu Händels Oper „Rinaldo“ und das (von Weidanz leider etwas verhuscht gespielte) Préludio aus der Partita für Solovioline BWV 1006 in einem Arrangement Gustav Leonhardts. Der war, erklärte Koch, einer der Pioniere der historischen Aufführungspraxis, „ohne die es uns heute alle nicht gäbe“.
Es war einzig das letzte Stück, mit dem man sich nicht so recht anfreunden mochte: Die F-Dur-Triosonate BWV 513 ist als Orgelstück überliefert, jedoch geht die Bachforschung davon aus, dass sie ursprünglich für zwei Melodieinstrumente komponiert wurde. So versuchten sich Michael Schneider, Felix Koch an einer Art „Rekomposition“, indem sie die beiden Hände des Organisten – das Stück war zuvor kurz von Markus Stein an der historischen Geib-Orgel angespielt worden – durch Blockflöte und Violoncello ersetzten und das Continuo von Annette Schneider und Wiebke Weidanz gespielt wurde. Doch hier war letztendlich zu viel Klangfarbe im Spiel und die zwei Oberstimmen klauten sich in den beiden Ecksätzen nolens volens die Schau. Das Largo hingegen spielte nur die Blockflöte mit konzertierendem Cembalo, was der Musik sehr viel mehr entgegenkam.
Das Fremdeln wurde dann mit der Zugabe rasch beiseite gefegt: der Choral Nr. 4 aus der Bach-Kantate „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ BWV 140, in der Schneider die durch Vorhalte geprägte Streichermelodie intonierte und Koch auf dem Cello die Partie des Tenors „sang“. So hörte man nicht nur einen harmonischen Kehraus, sondern erhaschte noch einen Blick in Bachs Kreativität: Der übernahm das Stück als Orgeltranskription nämlich später in die „Schübler-Choräle“. Die Variation für Blockflöte und Cello hätte ihm bestimmt ebenfalls gut gefallen.