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Schneidige Fanfaren und wiegendes Schweben

Einem Konzert den Titel „Irrtum!“ zu geben, birgt die Gefahr, dem Rezensenten bei mangelhafter Leistung der Interpreten eine gewisse Steilvorlage für einen Verriss zu geben. Die Deutsche Staatsphilharmonie unter Karl-Heinz Steffens und vor allem die Violinistin des Abends, Mirijam Contzen, gaben indes keinerlei Anlass zu despektierlichen Äußerungen über das Gehörte.

Wie aus einem Guss präsentierte sich der Klangköper zum zweiten Mainzer Meisterkonzert der Herbstsaison und stellte mit Dirigent und Solistin Werke von Johannes Brahms und Robert Schumann vor.

Auf letzteren war das Motto „Irrtum!“ auch gemünzt: Es war Schumann Violinkonzert d-moll WoO 23, das seine Gattin Clara der Öffentlichkeit nach dem Tode des Komponisten vorenthalten wollte – aus Unsicherheit über die Qualität des Werkes. Erst 1937 wurde es unter der Leitung von Karl Böhm uraufgeführt.

In der Rheingoldhalle waren es Dirigent Karl-Heinz Steffens und Solistin Mirijam Contzen, die dem einst verkannten Werk ihre Prägung gaben: Besonders im langsamen zweiten Satz bot das Orchester seinem Gast eine kräftige Grundierung, auf die Contzen ihre lebendigen Klangfarben mit zartem Strich auftragen konnte. Ansonsten schien die Solovioline mit den anderen Instrumenten über weite Strecken zu einer ansprechenden Einheit zu verschmelzen, um jedoch immer wieder wie ein hörbarer Lichtstrahl hervorzubrechen.

Zuvor erlaubte die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz einen Blick in das vermeintliche Seelenleben Robert Schumanns: Die Manfred-Ouvertüre op. 115 vertont das gleichnamige Gedicht des englischen Poeten Lord Byron, dessen Lektüre den Komponisten seinerzeit um den Schlaf brachte. Fließend, ruhig und mit in weite Bögen gefasster Dynamik setzte Karl-Heinz Steffens die geschilderte Dramatik um und brachte das Stürmen und Drängen mit skandierten Akkorden bestens zur Geltung. Die letzten Verse des Byron-Dramas – „Sein Geist entfloh der Erde! Er ist hin!“ bestimmen auch den Schluss des Werkes, den Steffens wunderbar seufzend hinhauchen ließ.

Der zweite Part des Konzerts gehörte Johannes Brahms und seiner vierten Sinfonie in e-moll op. 98. Mit schneidigen Fanfaren und wiegendem Schweben kontrastierte das Orchester im Allegro des ersten Satzes, um in eine tief empfundene Ruhe des folgenden Andante einzutauchen; vor zart getupftem Pizzicato der Streicher korrespondierten hier Holz und Blech. Burschikos geriet der dritte Satz, dessen martialische Momente immer wieder durch Triangel und Piccoloflöte silbrig durchwirkt wurden, um dann mit der spannungsgeladenen Passacaglia des letzten Satzes auf ein Bach-Thema effektvoll zu ende.

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