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Wie probt man einen Schönberg?

Arnold Schönberg ist nicht Johann Sebastian Bach. Und wer einmal eine Johannespassion gesungen hat, kennt sie auch nach Jahren noch. Aber „Moses und Aron“, Schönbergs mächtiges Oratorium?

Im Februar begann die EuropaChorAkademie unter der Leitung von Joshard Daus und Sylvain Cambreling die Probenarbeit in Mainz. Nach Tonaufnahmen dieses Stücks, der Wiederaufnahme im Juli für die anstehende Tournee nach Madrid, Straßburg und Luzern sowie drei Wochen „Sommerferien“ starteten die Choristen mit Daus jetzt erneut, um sich an den folgenden Tagen mit dem SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg unter der Leitung Cambrelings auf die Premiere am 2. September in der Berliner Philharmonie vorzubereiten.

Und Dirigent Daus, in dessen Händen die Einstudierung lag, ist verblüfft: „Die Erinnerung ist enorm. Was man hier erarbeitet und begriffen hat, ist präsent.“ Seine Sängerinnen und Sänger lobt er dabei ausdrücklich: „Diese Musik ist unglaublich schwer zu behalten. Man wundert sich, wo der Chor die Töne hernimmt.“

Und in der Tat ist dies für den Außenstehenden unbegreiflich, denn der Dur-Dreiklang auf die Tonsilbe „Mi“ während des Einsingens ist fast die einzige ungetrübte Harmonie, die man an diesem Abend zu Gehör bekommt. Denn das Oratorium „Moses und Aron“ ist Zwölftonmusik pur und bildet somit den Gegenpol zur vertrauten Kost des Klassik-Gourmets, dessen Hörgewohnheiten eher in der Romantik angesiedelt sind. Doch findet man auch ohne Partitur erstaunlich rasch Zugang zu diesen ungewohnten Klängen. Daus bricht oft ab; nicht, dass er per se unzufrieden ist: „Die Proben im Frühjahr waren hervorragend. Mir geht es jetzt darum wieder einzustimmen und einzufangen.“

Während sich vor der Campus-Kneipe unter der Alten Mensa ein Akkordeonspieler in seine Musette vertieft, geht es im Probensaal konzentriert um Ab- und Aussprache, Dynamik und Bögen. Man bewundert hier nicht nur den gut einstudierten Chor, sondern auch die Leistung von Korrepetitor Jonathan Alder, der sich am Flügel immer wieder in die komplizierte Partitur Schönbergs einklinken muss. Auf Deutsch und Englisch kommuniziert der Dirigent mit seinem international besetzten Klangkörper, damit die Musik als gemeinsame Sprache verständlich wird. Und das ist hier natürlich um einiges schwieriger als bei einer Bach-Motette.

Oder doch nicht? Denn genau so sollen die Choristen eine Fugenstelle intonieren. Und anders geht auch der Dirigent nicht in die Proben. Noch ist der Tenor hier zu spät, der Alt dort nicht zu hören und der Bass an anderer Stelle zu dominant. Dass der Chor bis zur Premiere wieder in Topform ist, bezweifelt Daus indes nicht. Einem selbst aber schwirrt nach anderthalb Stunden Schönberg der Kopf: von der Zwölftonmusik – aber auch vor Respekt der EuropaChorAkademie gegenüber, die diese Musik so selbstverständlich singt wie eine Passion von Bach.

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