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Sepiafarben musiziert

MAINZ – Als das Licht erlischt und der erste Ton erklingt, wähnt man sich sogleich auf dem an diesem Abend besungenen „75-Pfennig-Platz“ in einem Lichtspielhaus der 1920er Jahre. Und sepiafarben tönt es von der Bühne der Mainzer Rheingoldhalle.

„Heute Nacht oder nie“, „Marie, Marie“, „Wenn die Elisabeth, nicht so schöne Beine hätt’“, „Du bist nicht die erste“, „Roter Mohn“ oder „Wenn die kleinen Veilchen blühn’“: Liebevoll hat das Palastorchester mit seinem Sänger Max Raabe diese Schätzchen aus der Erstarrung in Schellack gelöst und präsentiert sie mit einer Selbstverständlichkeit, als seien seither keine 90 Lenze vergangen, in denen nicht nur die berühmte Veronika gealtert ist. Ob man sich in neun Dekaden an einen von Deutschlands jüngst gefundenen Superstars erinnern wird?

In der Retrospektive amüsiert es kolossal, wie viel Gehalt doch in dieser Musik steckt, die zu ihrer Zeit vielleicht – und sicherlich zu oft – als seichte Zerstreuung abgetan wurde. Prickelnd besingt Raabe „die Rosa, die ich im Trikot sah“. Und die heute fast verschämt wirkende Naivität, mit der sich Komponisten und Dichter wie Walter Jurmann, Fritz Rotter oder Robert Stolz dem Objekt der Begierde näherten, berührt einen auch noch von Ferne.

Keck merkt der Conferencier an: „Bei einem Mann und einer Frau handelt es sich um unterschiedliche Lebensformen. Dennoch duldet die Frau den Mann in ihrer Behausung. Sie braucht ihn – zum Öffnen von Sektflaschen und Erklären von Dingen.“

In Max Raabe haben diese Schlager und Couplets einen brillanten Interpreten gefunden – und dieser im Palastorchester Musiker, die ihn mehr als nur begleiten. Allesamt auf mehreren Instrumenten geschult liefern sie eine Perfektion ab, die dennoch durch Leichtigkeit und gelebte Musizierfreude besticht. Pointierte Soli, Duette und Terzette der Bläser, packender Tutti-Sound und der zarte Klang des Geigenspiels Cecilia Crisafullis sowie wohl dosierte Komik liefern am Schluss wie eh und je: gut gemachte Unterhaltung.

Und Herr Raabe? Leger lehnt er am Flügel und gibt smart den mondänen Dandy, bevor er näselnd ins Mikrophon schnarrt, dass der gefühlte Volksempfänger brummt: „Wir spielen heute Liebeslieder, die man auch bei der Arbeit hören kann. Wohingegen man bei der Liebe selten Arbeiterlieder singt.“

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