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Stefan Gwildis: eine Stimme wie Sandpapier mit grober Körnung – aber unglaublich viel Gefühl

MAINZ – Wie ein Konzert wirkt die jüngste Veranstaltung von „Kultur im Foyer“ des Mainzer SWR-Funkhauses eigentlich nicht. Eher wie eine „Jam-Session“, ein zufälliges Musizieren verschiedener Jazz-Künstler – einfach, um Spaß zu haben. Und nichts anderes hat Stefan Gwildis, Deutschlands Soul-Sänger Nr. 1, im Sinn.

Zuerst steht er solo auf der Bühne: Hemd, Jeans, Arbeitsschuhe und eine Stimme, die wie ein rauer Wind, der durch die Bäume bläst, schartig wie ein gezacktes Bergmassiv, wie Sandpapier mit grober Körnung anmutet. Und dann dieses Lächeln – hier macht einer Musik mit ganzer Seele, Soul-Musik eben.

Ob grooviger Scat-Gesang, das Imitieren eines Schlagbasses (inklusive des Stimmens!): „Allem Anschein nach bist Du’s“ legt sich wie eine flauschige Decke über das von Anfang an elektrisierte Publikum mit hohem Frauenanteil. Das Original „Ain’t no sunshine“ von Bill Withers mag ja auch ganz schön sein – Gwildis aber singt deutsch und sich somit in die Herzen seiner Fans.

Dabei sind alle Allüren und erst recht nationaler Pathos diesem Hanseaten so fremd wie nur irgendwas. Für sein Publikum öffnet Stefan Gwildis Herz und Seele, ohne Übertreibung, ohne Anbiederung, dafür aber mit echtem Gefühl und dem zupackendem Charme eines kanadischen Holzfällers.

„Heut ist der Tag“ vom gleichnamigen aktuellen Album, „Mama mag ihn“, „Lass‘ den Hut auf“ oder „Sie ist so süß“ – Stefan Gwildis ist wohl der einzige, der in seinen Bearbeitungen von Klassikern aus Soul, Gospel und Jazz deutsche Städte wie Osnabrück oder Gütersloh unterbringt. Der Sänger pflückt seine Stilblüten am Hamburger Elbstrand und bringt in kleinen Miniaturen große Gefühle unter.

In Mainz tritt Gwildis ohne große Band auf; zwei Kollegen flankieren den Sänger: Jörn Heilbutt an der Gitarre und Hagen Kuhr am Cello, beides hervorragende Musiker, was sie in kleinen, aber wirklich feinen Solos beweisen. Da wird Möwengeschrei täuschend echt nachgespielt und Kuhn zupft die Saiten seines Cellos wie ein Ray Brown.

Gwildis und seine Mannen kennen keine Distanz, gehen auf Tuchfühlung, selbst wenn sie mit der Direktübertragung der Fußballergebnisse von Mainz 05 gegen St. Pauli ein bisschen zündeln. Aber der Funke springt über und der ausbleibende Applaus zum Hamburger Sieg wird, wie sagt man dort oben doch so schön: einfach weggesabbelt.

Ein gutes Dutzend Lieder singt Gwildis „zwischen“ seinen An- und Abmoderationen, die liebevoll von falschen Einsätzen, weil der Cellist sich im Stück vertan hat, oder Anmerkungen zu Gott und der Welt im Allgemeinen, Liebe, Lust und Leidenschaft durchbrochen werden. Gwildis ist eben auch eine geborene Plaudertasche. Das und seine Lieder sind es, was diesen Ausnahmekünstler ausmachen.

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