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„Jazz ist ein Lebensgefühl“

MAINZ (22. Januar 2013). „Was singen die eigentlich?“, heißen interessante Beiträge im Hörfunkprogramm des SWR, in denen die Redakteure sich der fremdsprachigen Texte berühmter Rock- und Popstars annehmen und sie ins Deutsche übersetzen.

Im fünften Durchgang der Reihe „Treffpunkt Jazz“ im Frankfurter Hof, die vom Kulturdezernat in Zusammenhang mit der Hochschule für Musik angeboten wird, geschah ähnliches. Der Kabarettist Lars Reichow, bekannt als Goldfinger am Klavier und Meister auf der Tastatur des geschliffenen Wortes, erklärte jenen breit gefächerten Musikstil vor ausverkauftem Haus.

Sogar die Bühne ist bestuhlt, denn die Künstler des Abends – Reichow und die Band „Vier haben Recht“ – agieren von der Saalmitte aus. Zur Combo aus Kerstin Haberecht (Saxophon), Swantje Rietz (Klavier), Markus Wach (Kontrabass) und Mathis Grossmann (Schlagzeug) hat sich Sängerin Alexandra Pugh gesellt. Gemeinsam führen sie das Publikum durch die Spielarten des Jazz. Und wie es sich hier gehört, wird locker geschlendert.

Da ist der Blues als Urform: „Von den Schwarzen auf den Baumwollfeldern erfunden. Und auch heute gibt es noch Pullover für 3,50 Euro.“ Dann kam der Swing mit seiner unterhaltsamen Tanzmusik. Als man sich an Benny Goodman, Glenn Miller und Count Basie satt gehört hatte, übernahm der Bebop von Charlie Parker oder Dizzy Gillespie mit kleineren Ensembles: schneller, komplexer, komplizierter und damit auch unpopulärer. Weiter ging es mit dem Hardtop und dem Cool Jazz eines Miles Davis oder Chet Baker. Und mit Fusion, Modern Jazz oder mitunter atonalem Free Jazz ist noch lange nicht Schluss.

Dank Reichow wird dieser Ritt durch die Epochen, der mit 60 Minuten angekündigt war und anderthalb Stunden dauert, keinen Augenblick langweilig. Bevor am Ende die Band „Happy birthday“ in den verschiedenen Stilarten interpretiert und nachdem das Publikum mit Cole Porters „Night and day“ oder Charlie Parkers „Antropology“ lebendig gespielte Standards genossen hat, ist es bereits schlauer. Es weiß nun, dass der Jazz Großstadtmusik ist: „Im Sommer mit offenen Fenstern laut im Auto hören – das funktioniert nicht im Gonsenheimer Wald.“

Es erfährt, dass früher nur Männer Jazz spielten: „Die Frauen machten Nudelsalat.“ Es hat „Blue Notes“ vorgeführt bekommen, wohnte einer Improvisation bei, erfuhr, wie wichtig es besonders hier ist, dass sich Können und Spontanität paaren und erlebte, wie der Jazz immer freier und ungezügelter wurde. Aber auch, dass er für viele ein ungebundenes Lebensgefühl ist, das sich kaum an akademischen Pflöcken festbinden lässt.

Vor der Pause, an die sich eine von Toni Lakatos von der hr-Big Band geleitete Jam-Session mit Mainzer Jazz-Studenten und Profimusikern anschloss, hörte man noch eine besondere Version von Reichows „Mainz-Lied“, das Prof. Sebastian Sternal eigens für diesen Abend arrangiert hatte. Und siehe da: Auch Mainz swingt!

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