» Musik

Überirdisch schöne Klangmomente

MAINZ (22. Dezember 2019). Am Tag vor dem weihnachtlichen Domkonzert titelte diese Zeitung über einem Portrait dreier Solisten des Abends: „Mitwirken an etwas Großartigem“. Gemeint war der Chorgesang im Allgemeinen, aber auch das an diesem Abend musizierte Werk Johann Sebastian Bachs: die große Messe in h-Moll.

Und das Wort „großartig“ war es auch, das einem beim Schlussapplaus vorschwebte: Nach dem letzten Ton des „Dona nobis pacem“ herrschte zuerst atemlose Stille, bevor sich die Begeisterung über die beeindruckende Leistung der Domkantorei St. Martin, des Mainzer Domorchesters und der Gesangssolisten Bahn brach.

Wer Domkapellmeister Karsten Storck kennt, weiß, dass dieser vor derart großen Werken einen ebensolchen Respekt hat und im Vorfeld die Erwartungen lieber etwas bremst. Und natürlich ist Bach nicht Bruckner, mit dessen f-Moll-Messe die Kantorei 2018 sowohl im Konzert als auch auf CD reüssierte. Doch spornten Erhabenheit und Schönheit der höchst anspruchsvollen h-Moll-Messe die Sänger offenbar besonders an. Das Ergebnis war eine packende Interpretation, handwerklich nahezu makellos musiziert und mit überirdisch schönen Momenten.

Am 29. März feiert man im Dom mit dem Oratorium „Christus auf dem Ölberge“ den 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens, der über den Thomaskantor sagte: „Nicht Bach, sondern Meer sollte er heißen!“ Und genau daran erinnerte schon das „Kyrie“: Storck ließ den Klang wie rollende Wellen wogen, so dass man sich als Hörer jäh in lichte Höhen emporgehoben fühlte. Der Chor sang erhaben – allein die nicht so prall besetzten Männerstimmen hätte Storck wie die Damen zweireihig singen lassen sollen, um deren Strahlkraft durch Bündelung zu potenzieren.

Ansonsten: Homogenität, saubere Intonation und Durchhörbarkeit allerorten. Vor allem das „Crucifixus“ klang, als wäre es nicht von dieser Welt, was auch dem Kunstgriff Storcks zu verdanken war, für das „Credo“ den Chor auf Kammergröße zu verschlanken. Dadurch wurde der Gesang nicht nur noch transparenter, sondern bildete vor allem das Persönliche des Glaubensbekenntnisses überzeugend ab. Zum festlichen „Sanctus“ im flotten Tempo füllten sich die Chorreihen dann wieder.

Für den erkrankten Bass Felix Rathgeber war Konstantin Paganetti eingesprungen, der als Bariton in den Höhen überzeugte, in der Tiefe indes leider kaum präsent war. Auch Sabine Götz (Sopran) hätte sich gerne noch etwas mehr vor dem Orchesterklang behaupten können, was ihr in den Duetten besser gelang. Einmal mehr glänzte Tenor Christian Rathgeber, dessen bestens dosiertes, natürliches Vibrato klingt, als schlage man eine Saite an.

Altus Christian Rohrbach war zum ersten und hoffentlich nicht zum letzten Mal im Dom zu hören: Warm und leicht funkelte seine Stimme in beiden Arien, mit deren einfacher Deutung sich der Künstler tief vor der Größe der Musik und ihres Schöpfers verbeugte. Im ergreifend schön intonierten „Agnus Dei“ begleitete der Dirigent den Altus am eigens für dieses Konzert von der Hochschule ausgeliehenen Cembalo – ein Beispiel für die problemlose Zusammenarbeit zwischen den Kulturträgern in der Musikstadt Mainz.

zurück