Lebendige Dialoge
MAINZ (11. Dezember 2016). Eine große 30 ziert die Programmhefte der Villa-Musica-Konzerte in der Jubiläums-Saison. Und drei weitere Zahlen sind einem im Gedächtnis geblieben: 550, 180 und noch einmal die 30. 550 talentierte, junge Musikerinnen und Musiker hatten sich in diesem Jahr um ein Stipendium der Landesstiftung beworben, 180 davon lud man zum Vorspiel nach Schloss Engers ein, doch nur 30 davon bestanden die Aufnahmeprüfung. Das strenge Ohr der Juroren ist jedoch Garant dafür, dass das Publikum im ganzen Land die Besten der Besten hört.
So auch im jüngsten Konzert von Villa Musica in der Steinhalle des Landesmuseums: Auf dem Programm stand ein ganzer Abend mit Musik von Antonio Vivaldi, gestaltet von Stipendiaten und ihrem Mentor, dem Cembalisten Christian Rieger. Der frühere Cembalist im Musica Antiqua Köln hatte das Programm mit seinen Schülern für Konzerte in Schloss Montabaur und im Hüttenhaus Herdorf erarbeitet und trat an diesem Abend mit dem g-moll-Concerto (RV 316) in der Bearbeitung von Johann Sebastian Bach (BWV 975) auch solistisch auf.
Hier war es vor allem das Largo, das beeindruckte: In filigraner Zweistimmigkeit wirkte das Spiel gläsern, fast schon zerbrechlich und schien sich buchstäblich voranzutasten, als sei die Musik gerade erst im Entstehen. Damit gab Rieger dem Auditorium eine Ahnung davon, wie sich Bach vielleicht der Musik des Kollegen Vivaldi neugierig genährter haben mag um zu sehen, wie er sie mit seinen Mitteln weiter auskomponieren könnte.
So durfte man das Cembalo zumindest einmal an diesem Abend bewusst wahrnehmen, denn die Begleitung durch das zarte Tasteninstrument in den weiteren Werken Vivaldis wurde durch die anderen Instrumente meist vollkommen überdeckt. Wäre eine andere Platzierung oder der Einsatz des aufgeklappten Instrumentendeckels die Lösung gewesen? Gleichviel: Die Akustik der Steinhalle ist dennoch schlicht brillant und trug den Ensembleklang der Streicher und Bläser so überzeugend, dass das „Fehlen“ des Cembalos kaum weiter ins Gewicht fiel.
Mit der Interpretation durch die wunderbar transparent und vital musizierenden Künstler konnte das Publikum einen begeisternden Blick in den kompositorischen Kosmos Vivaldis werfen. Da gab es voll ausgekostete Modulationsseligkeit im Largo des f-moll-Konzerts (RV 143), munteres Dialogisieren im g-moll-Konzert (RV 106) oder die Soli von Flöte und Violine vor den perlenden Tonketten des Cellos im D-Dur-Konzert (RV 92a).
Aus den sämtlich in trauter Homogenität musizierenden Stipendiaten stach der Flötist Theodore Squire im bekannten „Concerto Del Gardellino“ (RV 90) hervor: Mit gerade mal 17 Jahren war er – unter anderem Meisterschüler von James Galway – der jüngste Künstler des Abends und gestaltete den von Vivaldi vertonten Gesang des Stieglitz’ als eindrucksvoll klingendes Tongemälde. Auch das berühmte g-moll-Concerto „La Notte“ (RV 439, Flötensolo: Francesco Camuglia) geriet zum bildhaften Erlebnis. Es müssen eben nicht immer die „Vier Jahreszeiten“ sein…