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Erfolgreich debütiert

WIESBADEN (18. Juni 2023). Im Nachgang der Corona-Pandemie war und ist oft zu lesen, dass viele Ensembles vor dem Aus stünden oder zumindest Probleme hätten, an frühere Zeiten anzuschließen. Da ist es ein mehr als ermutigendes Zeichen, wenn auch neue vokale Klangkörper entstehen. So gab jetzt das seit Februar bestehende Vocalensemble Wiesbaden in St. Bonifatius sein Debütkonzert. Kantor Dr. Johannes M. Schröder realisierte damit die Idee, in der Landeshauptstadt einen Kammerchor zu gründen, der frei von anderen chorischen Verpflichtungen vor Ort ist: Die Sängerinnen und Sänger kommen unter anderem aus Wiesbaden, Frankfurt, Eltville und Limburg und arbeiten als Projektchor.

Das Vocalensemble Wiesbaden trat an diesem Nachmittag in einer transparenten Besetzung von 24 Stimmen auf. In den Proben wurden nicht nur die Stücke vorbereitet, sondern auch die Organe trainiert, was sich als gute zeitliche Investition erwies. Für das erste Konzert hatte Schröder jüngere Werke ausgewählt, auch um den Chor in der ausladenden Akustik seiner Kirche entsprechend zu präsentieren. Neben der eröffnenden „Acclamatio“ von Damijan Močnik (*1967) waren es vor allem das „O Salutaris Hostia“ des 1977 geborenen Letten Ēriks Ešenvalds sowie Arvo Pärts „Nunc dimitis“, mit denen das Ensemble seine Qualität unter Beweis stellte. Gerade an den reduzierten Klängen der Musik des 87-jährigen Esten lässt sich die Güte eines Kammerchors ablesen. Und die war hier gegeben, auch wenn sich der Sopran über Strecken des Konzerts intonatorisch als etwas unsicheres Register erwies.

Die Solisten konnte man in diesem Konzert kaum als solche hören, denn Heike Heilmann (Sopran), Katharina Roß (Alt), David Jakob Schläger (Tenor) und Florian Küppers (Bariton) verstanden ihre Rolle als wunderbar homogenes Ensemble und gestalteten ihre Partien im Hauptwerk des Abends gleich einem Spiegel des größeren Chors äußerst einfühlsam: Die „Mass in G minor“ von Ralph Vaughan Williams (1872-1958) verbindet alte Liturgie und eine damals neue, englische Tonsprache mit einer reichen Harmonik, wobei gregorianische Partien polyphonen Tuttipartien gegenüberstehen. Die zwei viertstimmigen Chöre musizierten hier eng verzahnt mit dem Solistenquartett, so dass alle (an der Orgel von Thomas Höpp begleitet) die Messe als ansprechenden Gottesdienst zelebrierten.

Dieser Charakter war zuvor bereits durch Anton Bruckners „Virga Jesse“ aus dem Jahr 1885 und die „Quatre motets“ von Maurice Duruflé (1902-1986) skizziert worden und kam mit Vaughan Williams‘ Messe nun ergreifend zur Geltung. Als reines Orgelwerk spielte Höpp die „Vesper Voluntaries“ op. 14 von Edward Elgar (1857-1934), das Konzert endete nach Elgars „Lux Aeterna“ mit der luziden Zugabe „Calme de Nuits“ von Camille Saint-Saëns (1835-1921).

Wiesbaden hat mit seinem Vocalensemble also einen neuen Kammerchor, auf dessen weitere Programme man gespannt sein darf. Angesprochen auf kommende Projekte gab sich Schröder zwar bedeckt, versicherte jedoch, dass erste Ideen nach diesem gelungenen Debüt nun bald Gestalt gewinnen würden. Ein zweiter Auftritt des Kammerchors ist bereits angekündigt: Duruflés „Quatre motets“ sind auch Teil des Konzerts des Chors von St. Bonifatius am 15. Oktober, wo neben Duruflés Requiem auch die „Symphonie pour orgue et orchestre“ von Carles-Marie Widor (1814-1937) zur Aufführung kommen wird.

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