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Windsbacher Jubiläumssaison

NÜRNBERG (30. Juni 2010). Feste muss man feiern, wie sie fallen. Und Jubiläen auch, selbst wenn es sich dabei nicht unbedingt um richtig runde Jahrestage handelt: Doch dass der Windsbacher Knabenchor mit der Saison 2010/2011 in sein 65. Jahr startet und hier die 450. Motette singt, ist ein Grund zum Jubilieren in den höchsten Tönen. Und das tun die Windsbacher in den kommenden Monaten auf den wichtigsten Konzertpodien in Deutschland und Europa.

Im Rahmen einer Programm-Pressekonferenz stellten Chorleiter Karl-Friedrich Beringer, Manager Delf Lammers und Ute Baumann als Medienbeauftragte im Nürnberger Literaturhaus-Café der Öffentlichkeit jetzt den anspruchsvollen Konzertplan des kommenden Schuljahres vor. Noch sind die Windsbacher allerdings nicht in Ferienstimmung, sondern bereiten sich auf ein Projekt vor, das so gar nicht zu den hochsommerlichen Temperatuten passen mag: Im Juli nimmt der Chor eine CD mit Weihnachtsliedern auf – nach den Volksliedern, die am 19. September 2010 erscheinen, Mendelssohns „Elias“, der As-Dur-Messe von Schubert, dem Mozart-Requiem sowie einer Neuauflage des Brahms-Requiems der sechste Tonträger, der beim renommierten Label Sony erscheint. Zwei Konzerte im Rahmen des Rheingau-Musik-Festivals und der Dresdner Frauenkirche sowie ein Gastspiel der Knabenstimmen bei der Aufführung von Mahlers 8. Sinfonie mit den Bamberger Symphonikern runden die laufende Saison ab.

In der kommenden steht das Deutsche Requiem von Johannes Brahms im Mittelpunkt – für Karl-Friedrich Beringer „eine Herzensangelegenheit und das größte deutschsprachige Sakralwerk überhaupt – besonders mit diesem Knabenchor“: Gleich 14 Mal werden die Windsbacher dieses Werk singen, darunter im Festspielhaus Baden-Baden, in der Alten Oper Frankfurt, in der Nürnberger Meistersingerhalle und in den Philharmonien von Berlin und Essen. Orchestrale Partner sind hierbei Jutta Böhnert und Christiane Oelze (Sopran) sowie Thomas Laske und Alexander Marco-Buhrmester (Bariton), das Deutsche Sinfonieorchester Berlin und die Bamberger Symphoniker. Letztere begleiten den Knabenchor dabei auf seiner vierten Spanien-Tournee mit Konzerten in Murcia, Madrid und Barcelona. Zuvor wird Kent Nagano am 4. und 5. April 2011 zwei Aufführungen des Requiems mit dem Bayerischen Staatsorchester in der Staatsoper München leiten. Manager Delf Lammers ist besonders auf diese Konzerte in einem der größten Konzertsäle Europas mit rund 2.400 Plätzen gespannt: „Mich freut das für die Jungs.“

Dem Werk Johann Sebastian Bachs verpflichtet findet sich dessen Weihnachtsoratorium mit Auftritten im Dortmunder Konzerthaus, in der Nürnberger Meistersingerhalle, der Berliner Philharmonie, dem Concertgebouw Amsterdam, der Münchner Philharmonie sowie St. Gumbertus Ansbach ebenso auf dem Konzertplan wie Konzerte mit vier Kantaten, die sich, abgesehen von BWV 140 („Wachet auf, ruft uns die Stimme“), nicht unbedingt im Repertoire der großen Konzertchöre finden: Mit diesem Werk und BWV 1 („Wie schön leuchtet der Morgenstern“), BWV 48 („Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen“) und BWV 78 („Jesu, der Du meine Seele“) sowie treten die Windsbacher gemeinsam mit der Akademie für Alte Musik Berlin in der Dresdner Frauenkirche und zur Bachwoche Ansbach auf. Für Beringer, der sich selbst eher als „Romantiker“ sieht, ist in Bachs Musik „alles drin, was man braucht – auch bereits romantische und impressionistische Strömungen“. Wichtig sei es gerade hier, nicht stehenzubleiben, sondern eine aktuelle Lesart zu finden, ohne mit Gewalt etwas Neues machen zu wollen.

Als wichtiger Bestandteil der Arbeit des Windsbacher Knabenchores erfreut sich die Lorenzer Motette in Nürnberg immer stärkerer Beliebtheit. Vor stets voll besetztem Gotteshaus begeistern die jungen Sänger ihr Publikum in diesem Jahr zum 450. Mal mit der einzigartigen Mischung aus exzellenter geistlicher Vokalmusik, Meditation und Lesung, die auch Menschen anspricht, die sonst nicht den Weg in die Kirche einschlagen. Am 18. Februar 2011 jährt sich übrigens Beringers Windsbacher Wirken, das auf den Tag genau ebenfalls mit einer Lorenzer Motette begann.

Auch wenn der stimmliche Aderlass in diesem Schuljahr – insgesamt 13 Abiturienten und Realschüler verlassen den Chor im Juli, darunter sieben Tenöre – besonders groß ist und im kommenden Jahr aufgrund von G8 weitere Probleme auf den Chor zukommen, ist Karl-Friedrich Beringer optimistisch, kann er für einzelne Projekte doch (erstmals) auf engagierte Ehemalige zurückgreifen, die den Chor personell unterstützen werden.

Die organisatorische Arbeit in Windsbach liegt seit 2004 in den Händen der Agentur Delf Lammers, was Chorleiter Beringer nach eigenem Bekunden sehr schätzt: „Er hat maßgeblichen Anteil am aktuellen Stand des Chores in der internationalen Musikwelt.“ Der so Gelobte spielte den Ball prompt zurück und betonte, dass die von Chor und Dirigent geleistete hohe Qualität die Grundvoraussetzung dafür sei, dass die Windsbacher auf allen wichtigen Konzertbühnen europaweit vertreten seien – vielfach sogar mehrmals in einem Jahr. Dies sei ein über eine längere Zeit gewachsener Prozess, der auch dadurch forciert werde, „dass die Jungs merken, dass es sich lohnt, sich mehr anzustrengen und auch mehr zu erreichen – in der heutigen Zeit, in der die Kernkompetenzen Teamgeist und Leistungswille an erster Stelle stehen eine wichtige Erfahrung“.

Lammers verwies auf die beiderseits gepflegten Partnerschaften der Windsbacher mit den besten Klangkörpern: „Die Zusammenarbeit mit den Bamberger Symphoniker war lange überfällig, denn hier können herausragende Ensembles der Metropolregion ihre musikalische Kompetenz bündeln.“ Auch die Zusammenarbeit mit den Solisten wie Rebecca Martin, Sybilla Rubens, Christian Gerhaher, Markus Schäfer oder Klaus Mertens beruhe auf langen Freundschaften, die nicht unbedingt auf üppigen Honorarverträgen und daher rein beruflich existierten: „Diese Solisten kommen wegen der Musik nach Windsbach.“ Die pointierten Aussagen, mit denen die Künstler in der noblen Druckversion des Jubiläumsprogramms zitiert werden, sprechen ebenfalls diese Sprache.

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