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Neue Musik zum Fest

SCHWEINFURT (7. Dezember 2013). Wenn der Windsbacher Knabenchor die Bühne betritt, darf man erwarten, dass hier „alles rund läuft“ – wortwörtlich vor allem dann, wenn man ihn im Theater der Stadt Schweinfurt, die durch die Erfindung des Kugellagers weltberühmt geworden ist, hört.

Nun fehlt dem 1966 eröffneten Musentempel zwar das weihnachtlich Festliche, das ein barockes Gotteshaus per se hat, doch verzichteten die Gastgeber dankenswerterweise darauf, Adventsstimmung mit Tannenzweig und Kerzenlicht vorzuschreiben. Ganz ungezwungen gelingt es Dirigent Martin Lehmann und seinen Windsbachern nämlich, jene Stimmung zu erzeugen, die das Fest der Feste ausmacht: wachsende Vorfreude und schließlich Jubel über die Geburt des Heilands.

Auf dem Programm steht Weihnachtsmusik für Chor und Harfe – und gemeinsam mit ihrem musikalischen Gast Silke Aichhorn halten die Windsbacher für einen Moment die Zeit an: „Es ist ein Ros entsprungen“, steht über dem Abend und schenkt dem Konzertgast die wunderbar schwebende Clustermotette für zwölfstimmigen Chor, die der schwedische Komponist Jan Sandström 1990 auf das bekannte Kirchenlied geschrieben hat.

Ob Zeitgenössisches oder (noch) Unbekanntes von Johann Staden (1581-1634), den die Windsbacher im kommenden Jahr zur Internationalen Orgelwoche Nürnberg (ION) neu entdecken werden: Homogenität, Transparenz, Intonation und Diktion – der Knabenchor zeigt sich in diesen Punkten auch aktuell über jeden Zweifel erhaben. Stadens Hymnus „Nun komm der Heiden Heiland“ für zwei bis 14 Stimmen singt er in divergierenden Besetzungen vom Solo bis zum Tutti und führt den Hörer mit sicherem Schritt durch die bestechende musikalische Architektur dieses Tonsetzers.

Auffallend sind Quantität und Qualität der eingesetzten Solisten: Gerade auch in der „Ceremony of Carols“ op. 28 von Benjamin Britten (1913-1976) kann Lehmann für die entsprechenden Partien in den Knabenregistern aus dem Vollen schöpfen und gemeinsam mit Aichhorns Harfenspiel heißt der Chor das Kind in der Krippe mit den alten Weihnachtsliedern willkommen: „Wolcum be thou hevenè king“ – Willkommen seist Du, himmlischer König!

Natürlich begeistert der Chor auch und vor allem in voller Besetzung: Das „Advents-Kyrie“ von Günter Raphael (1903-1960) ist ein Paradestück, das in keinem Weihnachtskonzert dieses Chores fehlen darf. Und auch wer es schon oft gehört hat, erlebt es immer wieder neu: Fahl beginnen die Männerstimmen den Cantus auf „Maria durch ein Dornwald ging“ und mit dem Einsatz der Knaben in der dritten und vierten Strophe blüht die Motette auf wie Carl Hirschs (1858-1918) Bearbeitung von „Nun sei uns willkommen“, dessen Unisono-Einsatz mit hauchdünnem Pianissimo wie aus der Ferne klingt. So klingt der Advent, so klingt Weihnachten!

Man muss sich ja immer wieder vor Augen und Ohren halten, dass in einem Knabenchor wie diesem Jungen und junge Männer musizieren, deren Stimmen sich noch im Stadium der Entwicklung befinden. Und doch klingt das, was man hier hören darf, so reif und authentisch – ein wunderbarer Spiegel für die große Kunst von Harfenistin Silke Aichhorn, die das Konzert mit einer tänzerischen Chaconne von Johann Pachelbel (1653-1706) eröffnet und in seinem Verlauf mit der berühmten Romance von John Thomas (1826-1913) sowie dem perlenden „La Source“ op. 44 von Alphonse Hasselmans (1845-1912) brilliert.

Gemeinsam mit den Windsbachern gestaltet Aichhorn auch einen versteckten Höhepunkt des Abends: die Uraufführung einer Weihnachtsmusik für zwölfstimmigen Chor, Soli und Harfe von Markus Lehmann-Horn, ein Auftragswerk des Chores. In Anwesenheit des Komponisten erlebt das Publikum im Schweinfurter Theater, wie „Sonat Vox Laetitiae“ aus der Taufe gehoben wird. Zitate altüberlieferter Melodien bilden den Kern dieser Neukomposition, die vom Spannungsfeld aus Dissonanz und Tonalität lebt; hierin entspinnt sich eine Musik, die zwischen Rezitativ und Motette, vitalem Jubel und meditativem Gebet wechselt und aus der wie im Cantus „In dulci jubilo“ nicht nur die echoartigen Wiederholungen in den Knabenstimmen an Engelschöre erinnern.

Glockenklänge der Harfe zu Beginn, Flüstern, faszinierende Akkordgebilde, eine lebendige Dynamik, rasend schnelle Intervall-Glissandi, Clusterklänge, durchbrochene Harmonien und virtuose Solopartien der Harfe lassen das Publikum einmal mehr staunen: Der Windsbacher Knabenchor ist nicht nur auf den großen Konzertbühnen dieser Welt, sondern eben auch in allen Epochen von Renaissance und Barock bis zum musikalischen Heute zuhause.

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