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Wogendes Klangmeer

MAINZ (3.Oktober 2024). Nicht nur in Schwerin, wo in diesem Jahr das Bürgerfest zur Deutschen Einheit stattfand, wurde am 3. Oktober Einigkeit demonstriert – auch im Hohen Dom zu Mainz gab es Grund zu feiern: Zum tausendsten Mal jährte sich in diesem Jahr die Krönung Konrad II. im Alten Dom vis-a-vis, was zusätzlich zum Anlass für ein gemeinsames Musizieren der evangelischen Johanniskantorei und katholischen Domchöre genommen wurde. Es war das erste überkonfessionelle Projekt beider Klangkörper und es wäre wünschenswert, wenn dieses harmonische Miteinander auch auf der zeitgleich tagenden Bischofssynode in Rom zu hören gewesen wäre – ein frommer Wunsch, gewiss.

Natürlich hätte man zu Konrads Ehren Krönungsmessen von Mozart und Cherubini oder die Coronation Anthems von Händel musizieren können, doch fiel die Wahl ganz bewusst auf die zweite Sinfonie des vom Juden- zum Christentum konvertierten Felix Mendelssohn Bartholdy, ergänzt durch Orgelwerke von Johann Sebastian Bach. Der „Lobgesang“ op. 52, der zum Tag der Deutschen Einheit erklang, war nicht nur musikalisch mächtig, sondern auch mit symbolischem Sinn aufgeladen: Seht her, es geht doch nur gemeinsam!

Angesichts des eingesetzten Personals – neben dem Philharmonischen Staatsorchester Mainz und den Organisten Daniel Beckmann (Dom) und Volker Ellenberger (St. Johannis) musizierten über 150 Stimmen aus nicht weniger als vier Chören – mag man ob der vorherrschenden Domakustik darüber sinnieren, ob derart groß besetzte Projekte immer zielführend sind. Doch lehrt einen der begeisterte Schlussapplaus, dass auch hier der Weg das Ziel sein kann. Und tatsächlich hat das Klangmeer, in dem man sich diesem Nachmittag aalen darf, einen besonderen Charme.

Nachdem Domorganist Beckmann mit der Toccata BWV 540 eröffnet, schließt sich der orchestrale Part von Mendelssohns B-Dur-Sinfonie an. Und hier ziehen einen die Mainzer Philharmoniker mit Verve in die wogenden Klänge, aus deren stürmischem Tosen das fanfarenartige Bläserthema einem Leuchtfeuer gleich aufflammt. Domkapellmeister Karsten Storck hat ein mutiges Tempo gewählt und das Orchester folgt – dem Tag angemessen – in vorbildlicher Einheit.

Nach dem warm glimmenden und in ernster Würde intonierten Adagio religioso setzt der Chor ein. Von verschiedener Seite her bestens einstudiert verschmelzen die Chöre wiederum sinnhaft zu einer überzeugenden Einheit. Auch hier liegt die maritime Metapher nahe, erlebt man doch eine klangliche Brandung, die wellenartig in den ausverkauften Dom flutet. Und mitreißt: brachialer Bombast hier, filigrane Finesse dort – Storck führt den chorischen Kreuzer mit sicherer Hand durch diesen oratorischen Ozean. Eingefügte Orgelwerke – Ellenberger spielt den Choral „Schmücke Dich, o liebe Seele“ BWV 654 und Beckmann Präludium und Fuge BWV 541 – machen Mendelssohns Sinfonie zum epochenübergreifenden Pasticcio.

Neben den Sängerinnen und Sängern der Chöre überzeugen auch die Solisten: Dorin Rahardja gestaltet die Sopranpartien geschmackvoll, Tenor Nikolas Groth gefällt trotz dynamischer Dezenz und vor allem Sasou van Oordt glänzt im Duett mit der Kollegin – schade, dass sie nur diese eine Partie zu gestalten hatte. Doch das Programmheft weckt Vorfreude: Die junge Sängerin ist am 22. Dezember im Mainzer Dom auch in Bachs Weihnachtsoratorium zu hören. Der Konzertbesuch sei daher wärmstens empfohlen.

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