Bach mit Überraschungen
Bachs Musik ist so großartig und vielfältig, dass sie Künstler weltweit zu immer neuen und spannenden Kompilationen anregt. Das 2015 gegründete Bremer Barockorchester unter der Leitung von Néstor Fabián Cortés Garzón hat jetzt seine erste CD aufgenommen: mit der Orchestersuite in h-Moll, dem fünften Brandenburgischen Konzert und dem rekonstruierten Violinkonzert in d-Moll (BWV 1052R). Und „Bach to the Roots!“ macht durchaus neugierig auf die Arbeit dieses Ensembles (das notabene nicht mit dem seit 1990 musizierenden Barockorchester Bremen identisch ist).
Allein schon die unglaublich frische Art, wie hier diese ja sattsam bekannten Stücke musiziert werden, ist ein Hörerlebnis, das Freude bereitet. Galant beginnt die Suite. Okay, das hat man nicht anders erwartet. Aber hier sind die Stimmen sehr kompakt geführt, was den prachtvollen Klang potenziert. Und trotzdem herrscht unbedingte Transparenz vor. Die Kommunikation zwischen den Instrumenten ist deutlich und harmonisch; jede Stimme hat ihre eigene Dynamik – vor allem natürlich die Soloflöte –, doch jeder fügt sich nahtlos in den Gesamtklang ein, was diesem eine besonders intensive Farbigkeit schenkt.
Dabei weist gerade die Suite durchaus einige Überraschungen auf, die man so nicht alle Tage hört: Die Bourée beispielsweise beginnt rhythmisch mit Akkorden der Barockgitarre; im Folgenden gehen die Musiker erfrischend kreativ mit Bachs Harmonik um. Nicht nur das Flötenspiel (faszinierend: Felipe Egaña) ist reich an Verzierungen, was besonders in den Läufen der Polonaise gefällt. Nach einem fast schon konventionellen Menuett dann der Knalleffekt: Das Ensemble stiehlt der Flöte in der berühmten Battinerie geradezu die Show, wenn nach und nach Gitarre, Cembalo und die Akkorde markierenden Streicher einsetzen und die Hörerwartung damit nicht nur kräftig gegen den Strich bürsten, sondern auch bis aufs Äußerste anspannen, bis endlich die bekannten Intervallsprünge der Flöte zu hören sind.
Im fünften Brandenburgischen zeichnet sich das Bremer Barockorchester ebenfalls durch ideenreiches Spiel aus; das beweist, wie tief man in Bachs Kosmos eingetaucht ist, um dem Zuhörer immer wieder neue Facetten dieser Musik zu Gehör zu bringen. Da vibriert ungeduldig der Flötenton und das Cembalosolo von Nadine Remmert im Mittelsatz spricht nicht nur durch höchste Virtuosität, sondern vor allem auch durch eine kluge Agogik, die das pulsierende Spiel immer zu kleinsten Momenten des Innehaltens animiert und die dem Hörer ein fast schon körperliches Mitfiebern schenkt.
Auf „Bach to the Roots!“ erklingt auch das Violinkonzert in D-Moll (BWV 1052R), das seine große Popularität ja eher als Cembalokonzert BWV 1052 genießt. Die Transkription stammt von Ensembleleiter Garzón und verleiht der CD neben den spannenden Ideen bei der Interpretation von BWV 1067 und 1050 hauptsächlich ihre Eigenständigkeit. Die Solovioline spielt Tomoe Badiarova mitreißend in den beiden Ecksätzen und betörend schön im Adagio. Fazit: Mehr davon – Bach hat ja noch ein paar Suiten, Brandenburgische und Solokonzerte geschrieben …
Johann Sebastian Bach: „Bach to the Roots!“ – Orchestersuite in h-Moll (BWV 1067), Brandenburgisches Konzert Nr. 5 (BWV 1050), Violinkonzert in d-Moll (BWV 1052R) | Bremer Barockorchester, Néstor Fabián Cortés Garzón (Leitung) | arcantus Nr. 20021