Klingende Lichter
Die Kollegen von Singer pur hatten 2015 die schöne Idee einer Adventskalender-CD: 24 klassische und bekannte Lieder, die einem Tag für Tag die Vorweihnachtszeit akustisch versüßten. Mit seiner ersten CD in neuer Besetzung schlägt das Calmus Ensemble nun einen ähnlichen Weg ein und präsentiert pünktlich zum Fest „Christmas Lights“ – ebenfalls passend mit 24 Tracks, allerdings ohne den Impetus der klingenden Türchen.
Es ist ein sehr persönliches Album geworden, was schon beim Durchblättern des Booklets auffällt: Die seit 2022 komplette Besetzung aus Elisabeth Mücksch (Sopran), Maria Kalmbach (Alt), Friedrich Bracks (Tenor), Jonathan Saretz (Bariton) und Michael B. Gernert (Bass) erklärt, jede® auf einer eigenen Seite, was Weihnachten für sie oder ihn bedeutet, wobei auch Bezug auf die eingespielten Lieder genommen wird.
„Christmas Lights“ spannt einen tatsächlich hell leuchtenden Melodienbogen vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart, wobei viele bekannte Lieder erklingen. Allerdings werden gängige Hörgewohnheiten geschickt durchbrochen, weil man neben Günter Raphaels „Maria durch ein Dornwald ging“ oder Johann Walters „Joseph, lieber Joseph mein“ eingängige Arrangements wie „Es kommt ein Schiff geladen“ von Hans-Jörg Kalmbach oder harmonisch spannend aufgeraute Sätze wie Kō Matsushitas „Nun komm, der Heiden Heiland“ platziert hat. Die Swingnummern am Schluss sind ebenfalls perfekt musiziert, fallen stilistisch jedoch etwas aus dem besinnlichen Rahmen (und wären vielleicht eher etwas für eine eigene CD, die dann nur dieses Segment abdeckt – aber das ist Geschmackssache). Es gibt auf jeden Fall viel zu entdecken.
Das im Sommer 2023 in der Aula des Domgymnasiums Merseburg aufgenommene Album zeigt vor allem, dass die beiden Markenzeichen von Calmus nach wie vor markant zu hören sind: zum einen eine bestechende Homogenität und Transparenz von fünf Einzelstimmen, die sich perfekt zum Ensembleklang finden und vereinen; zum anderen eine frische Experimentierfreude, die die klangliche wie stilistische Vielfalt der Musik abbildet.
Am Beispiel von „Es ist ein Ros entsprungen“ sei dies kurz aufgezeigt: Da erklingt der bekannte Satz von Michael Praetorius, allerdings ohne Text sacht gesummt, um den Hörer danach mit den spröden und dennoch faszinierenden Akkorden eines Alban Berg zu konfrontieren. Eine weitere Strophe erklingt, klanglich wiederum völlig anders, im romantischen Satz von Carl Gottlob Reißinger, um nach einem Exkurs zu Hugo Distlers „Ich brach drei dürre Reiselein“ wieder zu Praetorius (diesmal mit Text) zurückzukehren. Dabei hängt man mit gleicher Aufmerksamkeit an den Lippen der wunderbaren Sängerinnen und Sänger. Diese Collage, die bei jedem Hören neue Facetten der Lieder eröffnet, stammt laut Booklet von Ludwig Böhme, Mitbegründer des Calmus Ensembles und bis 2022 dessen Bariton. Von ihm ist ebenfalls ein eigens hierfür in Auftrag gegebenes Arrangement von „Ich steh an deiner Krippen hier“ zu hören, das die einzelnen Strophen mit delikaten Akkorden und Clusterklängen kombiniert.
Mag sich die Besetzung zwischenzeitlich auch geändert haben (bezeichnenderweise fanden mit Friedrich Bracks und Michael B. Gernert zwei ehemalige Sänger des Windsbacher Knabenchors, den Böhme seit 2022 leitet, ihren Weg ins Ensemble): Calmus bleibt mit der Inbegriff des stil- wie kunstvollen A-cappella-Gesangs. Und so ist nicht nur die CD, sondern auch diese Gewissheit ein schönes Weihnachtsgeschenk. Oder um es mit zwei abgewandelten Paul-Gerhardt-Versen zu sagen: „Ich höre dich mit Freuden an und kann mich nicht satt hören.“
Calmus Ensemble: Christmas Lights | Elisabeth Mücksch (Sopran), Maria Kalmbach (Alt), Friedrich Bracks (Tenor), Jonathan Saretz (Bariton) und Michael B. Gernert (Bass) | Bayer Records (67:42)