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Unendliche Weiten

„Consolatio“ heißt die CD von Carus, auf der der KammerChor Saarbrücken unter der Leitung von Georg Grün Werke des japanischen Komponisten Ko Matsushita (*1962) Stücken von Max Reger (Opus 6) und Clytus Gottwalds Adaption des Adagiettos aus Gustav Mahlers fünfter Sinfonie gegenüberstellt.

Doch das ist eigentlich der falsche Begriff, denn es ist gar keine Konfrontation, sondern eine dramaturgisch kluge und äußerst stimmungsvolle Ergänzung der weltlichen Klänge durch geistliche Chormusik: Bevor die Abendlieder angestimmt werden steht das Gebet. Und was man hört, spiegelt den Titel des Tonträgers klar wider: Consolatio heißt Trost.

Sieben Kompositionen des auf Vokalmusik spezialisierte Tonkünstler Ko Matsushita sind hier zu hören, zwei davon („De profundis“ und „Salva me“) entstanden als Auftragswerke für den KammerChor Saarbrücken und wurden 2016 und 2017 uraufgeführt. Die ausgewählten Stücke bilden dabei das gesamte Schaffensspektrum des Komponisten von eingängiger Tonalität bis zu reibungsreichen Clustern ab.

Steter Melodiefluss, aufeinandergeschichtete Akkorde, flirrende Dissonanz – Matsushitas Sprache verstört nicht, sie versöhnt. Lautmalerisch wird im „De profundis“ die sich windende Seele abgebildet und in „Usquequo Domine“, entstanden nach der Katastrophe 2011 im Atomkraftwerk Fukushima, besticht die fahle Stimmung, die auch die in der Erinnerung präsenten Bilder der fluchtartig verlassenen Region um den Reaktor erzeugen.

Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb verströmen Matsushitas Werke jene im Titel versprochene Consolatio und tröstend leitet die wunderbar schlichte, doppelchörig angelegte Motette „Domine, fac me servum pacis tuae“ zu den vier Abendliedern von Reger und Gottwald/Mahler über. Gerade letzterem fühlt sich der KammerChor Saarbrücken bereits durch vorangegangene Einspielungen eng verbunden, was auch hier einmal mehr überzeugend zum Ausdruck kommt.

Der Chor singt mit satter Bassgrundierung, die Register klingen homogen und transparent. Georg Grün pflegt eine ansprechende Pianokultur und auch im Forte überzeugt das Ensemble durch voluminöse Volltönigkeit, die geschmackvoll Maß hält. Man merkt, wie sehr sich der Klangkörper in dieser Musik zuhause fühlt und einem musikalischen Mitteilungsbedürfnis nachgeht, dem man gerne seine ganze Aufmerksamkeit widmen möchte. Regers drei Gesänge aus Opus 6 werden von Ivette Kiefer dabei behutsam am Klavier begleitet.

In den weltlichen Klängen ist der Hörer dann genauso geborgen wie in den geistlichen: Wenn man so will hört sich der Chor bei Reger an wie eine weiche, warme Decke, eine liebevolle Umarmung zur guten Nacht. Die Durchhörbarkeit dieser spätromantischen Klangwelt bringt ihre Konturen besonders schön zum Vorschein. Und Gottwalds bislang selten aufgenommenes 16-stimmiges „Im Abendrot“ erinnert als fulminanter Schlusspunkt an den Kosmos eines sternenklaren Nachthimmels – man spürt förmlich, was Joseph von Eichendorff in seinem hier vertonten Gedicht schrieb: „O weiter, stiller Friede!“

Consolatio – Contemporary Choral Music | KammerChor Saarbrücken, Ivette Kiefer (Piano), Georg Grün (Leitung) | Carus 83.505

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