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Gut gereifter Cherubini

Die Musik Luigi Cherubinis scheint derzeit ein Stück weit neu entdeckt zu werden: 2017 ergänzte der Kammerchor der Frauenkirche Dresden unter Matthias Grünert die Einspielungen des Requiems und zog Anfang dieses Jahres mit geistlichen Chorwerken des vor 270 Jahren geborenen Komponisten nach (beide Rondeau). Auch der Carus-Verlag widmet sich nun nach einer gefeierten Requiem-Einspielung von 2010 erneut Cherubini: und zwar der Missa solemnis Nr. 2 d-Moll, interpretiert von Frieder Bernius und seinem Kammerchor Stuttgart.

Gerade Aufnahmen dieses Werks scheinen eine gewisse Reifezeit einzufordern: Als es von Helmuth Rilling 1992 mit der Gächinger Kantorei aufgenommen wurde, dauerte es sieben Jahre bis zum Erscheinen 1999. Im gleichen Jahr wie die genannte entstand eine Einspielung mit dem Münchner Motettenchor unter Hans Rudolf Zöbeley, kam jedoch erst 2011 auf den Markt. Auch die vorliegende Bernius-Aufnahme ist bereits fast 20 Jahre alt: ein Livemitschnitt eines Konzerts im Rahmen des Schleswig-Holstein-Musikfestivals im Jahr 2001.

Insofern stellt die CD das Schaffen von Chor und Solisten erst mal in der Retrospektive dar. Die Aufnahmequalität lässt jedoch keine Wünsche offen und bildet Chor, Orchester und Solisten als überzeugende Einheit ab. Der Klang ist üppig und doch transparent; Ruth Ziesak (Sopran), Christa Mayer (Alt), Christoph Genz (Tenor) und Thomas E. Bauer (Bass) gestalten ansprechend und sich klanglich ergänzend, der Chor präsentiert sich in gewohnter Qualität, sprich höchst kultiviert und homogen, das Orchester rundet den Charakter dieser Einspielung akzentuiert und überzeugend ab.

Bernius reißt den Hörer auch nach 20 Jahren mitten hinein in die spannende Melodik von Cherubinis Missa und präsentiert die harmonischen Überraschungen, die diese Musik beinhaltet, äußerst lebendig. Die Aufnahme bildet auch die feinfühlige Instrumentierung des Werks trefflich ab: rund und voll tönend, doch nie zu breit, sondern dynamisch stets elegant abgestuft.

Im Booklet findet sich darüber hinaus eine interessante Einlassung des Dirigenten zum Thema „Livemitschnitt versus Studioproduktion“, die bei allem Pro und Contra vor allem die Aufmerksamkeit auf Cherubinis bislang eben nicht allzu oft musizierte Missa solemnis lenkt. Bernius versichert, dass hier keinerlei Nachaufnahmen angesetzt waren, sondern die Aufnahme das Konzert 1:1 abbildet – und damit eine tadellose Leistung aller Beteiligten. Mit seiner Interpretation gelingt es ihnen, ein weiteres Werk Cherubinis (und damit diesen Tonschöpfer selbst) wieder neu zu entdecken. Insofern war der Griff ins Archiv des NDR nicht nur beherzt, sondern auch an – und bemerkenswert in der Zeit.

Luigi Cherubini: Missa solemnis Nr. 2 d-Moll | Ruth Ziesak (Sopran), Christa Mayer (Alt), Christoph Genz (Tenor), Thomas E. Bauer (Bass), Kammerchor Stuttgart, Klassische Philharmonie Stuttgart, Frieder Bernius (Leitung) | Carus Nr. 83.512

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