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„Jesus liebt mich“ oder Showdown in Malente

Nach „Mieses Karma“, in dem der erfolgreiche Drehbuchautor David Safier („Mein Leben & Ich“) eine Fernsehmoderatorin von einem aus einer Weltraumstation herabstürzenden Waschbecken erschlagen so manche Station der Wiedergeburt durchleben lässt, widmet er sich in seinem neuen Roman „Jesus liebt mich“ einer weitaus weniger gesegneten Protagonistin: Marie im ostholsteinischen Malente.

Ihr Leben gerät aus den Fugen, als sie vor dem Traualtar in letzter Minute kalte Füße bekommt, Nein sagt und wieder bei ihrem Vater und seiner blutjungen Geliebten aus Russland einzieht. Da es schließlich auch noch durchs Dach suppt, wird kurzerhand Zimmermann Joshua engagiert, der sowohl auf Marie als auch auf den Leser besonders Eindruck macht: Es ist nämlich kein Geringerer als der Messias persönlich, der ausgerechnet hier zum Jüngsten Gericht blasen soll. Mit von der Partie ist neben dem wie einer von den Bee-Gees aussehenden Joshua natürlich auch Satan in der Hülle eines George Clooney-Doubles. Showdown in Malente also…

David Safier entspinnt unter der Oberfläche einer an sich seichten Lovestory mit herrlichen respektlosen Albernheiten einen kleinen und unterhaltsamen Katechismus, der bei allem Witz auch zum Weiterdenken anregt. Denn Marie, die sich unsterblich in den seltsamen Joshua verliebt hat und irgendwann auch seine himmlische Identität herausbekommt, hadert durchaus mit dem göttlichen Plan der nahenden Apokalypse. Und auch damit, dass ihre zeichnende Schwester, deren Comics die Erzählung flankierend illustrieren, einen Tumor hat.

Frech, voller Anspielungen und mit einem eleganten Humor verwickelt Safier seine weder bibelfeste noch -treue Heldin in Diskurse um Recht und Unrecht, Liebe und Güte, Strafe und Vergebung – sogar mit dem Höchsten selbst, der ihr erst als brennender Dornbusch und schließlich geträumt als „Emma“ aus der Jane-Austen-Verfilmung von „Sinn und Sinnlichkeit“ beim Darjeeling im englischen Landhaus begegnet.

Blasphemie? Keineswegs, falls man pfiffigen Humor als göttliche Gabe versteht, die man als Talent nicht vergraben sollte, wenn man sie in derart witzige und dabei doch durchaus ernst zu nehmende Literatur verwandeln kann. Denn Safier bleibt nicht mitten im naiven Plot stehen, sondern zieht seinem Roman eine philosophische Ebene ein, wenn er Marie mit Emma/Gott über den freien Willen diskutieren lässt, den nicht nur sie, sondern auch Joshua besitzt. Ihm gegenüber formuliert sie Gedanken, die den Geist der Bergpredigt atmen und sich doch an der persönlichen Realität (auch des Lesers) orientieren können – hier hat einer seinen Kierkegaard gelesen.

Die Liebe, zumindest in dieser Liaison, trägt jedoch nicht den Sieg davon und die apokalyptischen Reiter preschen unter teuflischer Führung Richtung Malente. Oder kommt doch alles ganz anders als göttlich geplant und teuflisch eingefädelt? „Jesus liebt mich“ – wenn nur alle Wahrheiten so witzig wären…

David Safier: „Jesus liebt mich“, Kindler, ISBN 978 3 463 40552 0, 302 Seiten, gebunden, 16,90 Euro

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