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Psalmen im christlich-hebräischen Dialog

Es ist ein Glücksfall, wenn man auf einer CD nicht nur gute Musik hört oder tolle Künstler erlebt, sondern auch etwas Neues kennenlernt, vielleicht ja überhaupt etwas lernt. „Psalmus“, der aktuelle Tonträger des Deutschen Kammerchors ist eine solche CD.

Sie stellt Psalmvertonungen vor – und das abseits der ausgetretenen Pfade, des sattsam eingespielten Repertoires von Heinrich Schütz bis Felix Mendelssohn. Zugegeben: Letzterer ist ebenfalls vertreten, mit Psalm 22 („Mein Gott, warum hast du mich verlassen“). Und das hat seinen Grund: Mendelssohn war, obgleich er für die christliche Kirchenmusik wichtige und beständige Schätze komponiert hat, mosaischen Glaubens.

Die CD „Psalmus“ trägt ihren Titel ebenfalls nicht nur in lateinischen Lettern, sondern auch mit hebräischen Schriftzeichen: „Psalmen im christlich-jüdischen Dialog“ ist der Leitgedanke des musikalischen Projekts, das neben Mendelssohn vor allem Unbekanntes, ja „Unerhörtes“ vorstellt: Neben Psalmen von Joseph Gabriel Rheinberger erklingen hebräisch-sprachige Werke romantischer und spätromantischer Komponisten wie Franz Schubert, Louis Lewandowski und Alfred Rose sowie Musik der zeitgenössischen Komponisten Arnold Schönberg und Gilead Mishory (*1960), dessen „Wasserpsalmen 2014“ hier erstmals eingespielt wurden.

Betrachtet man vor allem im aktuellen Dialog die Religionen des Christen- und Judentums, so fällt auf, dass man eher das betont, was sie voneinander unterscheidet – Einigendes findet kaum Erwähnung. Dabei sind es gerade die Psalmen, wichtige und poetische Partien des Alten Testaments, die beide Religionen bis heute als grundlegenden Teil der jeweiligen Liturgie verwenden.

Und siehe da: Ein Franz Schubert schrieb seinen 92. Psalm als Auftragskomposition der jüdischen Gemeinde in Wien, um die Reformierung der Synagogenmusik zu unterstützen, die sich der Ästhetik des Katholizismus‘ öffnen wollte. Auch Louis Lewandowski, wichtiger Repräsentant der Berliner Reformbewegung, komponierte Vokalmusik, deren Qualität sich am Anspruch liturgischer Gebrauchsmusik orientierte.

Die stilistische Einfachheit der hier eingespielten Kompositionen erhält dennoch eigenständiges Gewicht: Perfekt ausbalanciert setzt der von Michael Alber dirigierte Deutsche Kammerchor vor allem auf Klangreinheit, anstatt der Musik durch künstlichen Affekt (ebensolche) Attraktivität abzuringen. Der Mendelssohn gerät in ruhigen Bahnen, denn es geht hier nicht um die originellste Wiedergabe: Psalm 22 erklingt alternierend und greift somit die klassische Tradition des Responsoriums auf. Der Wechsel zwischen Vorsänger und Gemeinde zieht sich wie ein rotes Band durch die Psalmen, die durch ihren abendländischen Stil sogar das Hebräische nicht ungewohnt klingen lässt.

Doch seichte Klangverliebtheit ist nicht Sache des Deutschen Kammerchors: Mit Schönberg und Mishory packt das 16-köpfige Ensemble seine Hörer gleichsam beim Kragen und stößt sie mit den „Wasserpsalmen 2014“, einer Auftragskomposition des Deutschen Kammerchors, buchstäblich in die kalte Flut des Fremdklangs. Als klingendes Triptychon angelegt besingt das Werk die verschiedenen Kräfte des Elements, das einen ebenso bedrohen kann wie es Ruhe und Leben zu schenken vermag.

Dabei setzt der Komponist auf die Stimme als Instrument, die den Text nicht nur wiedergibt, sondern ihn tonal ausmalt. Hier werden gängige Hörgewohnheiten bewusst durchbrochen – eine grandiose Herausforderung an den Rezipienten wie die Chorsänger, die diese Aufgabe faszinierend meistern. Mishory verlangt den Interpreten seiner Musik alles ab: von athletischer Intonation bis hin zu außermusikalischer Lautimitation.

„תהלים – Psalmus“ | Deutscher Kammerchor, Michael Alber (Leitung) | Christophorus 77396 (bestellbar auch direkt unter cd@deutscher-kammerchor.de)

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