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Ein sehr persönliches Repertoire

Noch vor dem Hören dieser CD sticht ein Bookletbeitrag ins Auge: ein Essay des Künstlers selbst, den Christian Elsner im Mai 2021 (die Aufnahme stammt aus dem Oktober 2020) formulierte. Hierin knüpft der Tenor an Zitate aus den von ihm eingesungenen Liederzyklen von Ludwig van Beethoven, Gustav Mahler, Richard Wagner und Johannes Brahms fast schon intime Betrachtungen der von der Pandemie so geprägten Zeit. Es geht um Dankbarkeit für das Erreichte, aber auch um Zukunftsängste, persönliche wie für die ihm als Gesangsprofessor anvertrauten Nachwuchskünstler, um die Möglichkeiten, die ihm das Lied als Kunstform bietet und um die im CD-Titel „Urgedanken“ ausgedrückten Fragen nach dem Sein und Sinn.

Derart präpariert kann man diese Aufnahme intensiver anders hören, kommt man Elsner, der höchst einfühlsam von Liedpianist Burkhard Kehring begleitet wird, tatsächlich sehr nahe. Es geht um die Motive der Romantik schlechthin: Sehnsucht und Liebe – nicht zufällig Gefühle, die unter Corona wohl mit am meisten zu leiden hatten. Insofern erhält die Interpretation über das rein Künstlerische hinaus eine allgemeingültige Aussage.

Christian Elsner singt wunderbar lyrisch, dosiert seine dynamische Spannbreite elegant und besticht durch ein anrührendes Timbre. Man merkt, dass es ihm hier um weit mehr geht als um die reine Pflege des Kunstlieds. Das Zusammenspiel des Sängers und des Pianisten begleitet den gespannten Bogen dabei stets geschmackvoll. Man hört die Zyklen „An die ferne Geliebte“ von Ludwig van Beethoven, Gustav Mahlers „Rückert-Lieder“ und Richard Wagners „Wesendonck-Lieder“ sowie „Vier ernste Gesänge“ von Johannes Brahms.

Elsner ist Jahrgang 1965 und war zum Zeitpunkt der Aufnahme 55 Jahre alt. Seine Stimme klingt dennoch juvenil frisch und besticht vor allem in der Mittellage durch eine Leichtigkeit, die noch immer aufhorchen lässt. In der Höhe etwas kerniger zeichnet der Sänger die erzählten Bilder mit angenehmer tonaler Kolorierung. Auch die Wahl der Tempi überzeugt. Ein wahres Juwel ist Mahlers ruhig fließendes und fesselnd introvertiertes „Ich bin der Welt abhanden gekommen“, in der Elsner in allen Lagen unbedingte Präsenz zeigt.

Urgedanken – Beethoven, Mahler, Wagner, Brahms | Christian Elsner (Tenor), Burkhard Kehring (Klavier) | KL 1543

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