Konturenreiche Klangbilder
Die Tatsache, dass die Musik eine internationale Sprache ist und alle Grenzen überwinden kann, wird durch das häufige Zitieren nicht unwahr. Ein aktuelles Beispiel ist der neu gegründete Kammerchor Cythera, der professionelle Sängerinnen und Sänger aus nicht weniger als zehn europäischen Ländern vereint; auch sein Dirigent verkörpert das Prinzip trefflich: Mihály Zeke wurde in England geboren, lebt in Deutschland und hat ungarisch-griechische Wurzeln. Anfang des vergangenen Jahres nahm das 24-köpfige Ensemble für das französische Label Paraty seine Debüt-CD auf: „Homelands“ mit Werken von Zoltán Kodaly, Béla Bartók, Antonín Dvořák, Arnold Schönberg und Johannes Brahms.
Cythera liefert ein stets transparentes und homogenes Klangbild, das in allen Dynamikstufen angenehm Präsenz zeigt. Auf dem stabilen Fundament der Männerstimmen bewegen sich Sopran und Alt elegant und mit einem zuweilen erfrischend knabenhaften, silbrigen Schmelz. Diese Wendigkeit und Vielschichtigkeit spiegelt sich auch in der Werkauswahl wider, die sich angenehm vom oft ähnlichen Repertoire ähnlicher Formationen abhebt. Cythera widmet sich folkloristischer Chorliteratur aus Deutschland und Ungarn, wobei man nicht nur konturenreich Klangbilder malt, sondern dank der internationalen Besetzung auch authentisch und lebendig Geschichten aus verschiedenen „Homelands“ erzählt. So kunstvoll kann, soll und darf Folklore gerne klingen!
Vier slowakische Volkslieder von Bartók und böhmische von Dvořák (in Arrangements von Leoš Janáček) sind mit Klavierbegleitung zu hören, wobei Marie Vermeulin als selbstbewusste Liedpianistin agiert, die den in die Weite weisenden Chorklang anmutig und edel koloriert. Die exzellente Textverständlichkeit und -ausdeutung der deutschen Repertoire-Teile – drei Volkslieder op. 49 von Schönberg sowie von Brahms „Dort in den Weiden“, „In stiller Nacht“ und das von Vermeulin begleitete „An die Heimat“ aus op. 64 – darf auch bei den ungarischen Liedern vermutet werden. Stets kann man sich vitalem Wogen und elegantem Schweben des Klangs hingeben.
Das einzige Störende sei als Wunsch formuliert: Die CD trägt nicht nur den Namen „Homelands“, sondern auch gleich das vielversprechende „Vol.1“; bei der Fortsetzung möge Cythera unbedingt auch eine deutsche Übersetzung der Booklettexte liefern, denn sich fremdsprachige Texte rein über die französische oder englische Übersetzung zu erschließen lenkt doch arg von der so wunderschön gesungenen Musik ab.
Homelands Vol.1 – Vokalwerke von Bartók, Kodály, Dvořák/Janáček, Schönberg und Brahms | Ensemble Cythera, Marie Vermeulin (Klavier), Mihály Zeke (Leitung) | Paraty Nr. 140100