Das Beste aus allen Wolken
Humor ist ja etwas sehr Persönliches. Er bildet sich natürlich aus Vorbildern, daraus, was man selbst lustig oder lächerlich findet. Doch wer andere nachmacht, wird nie deren Strahlkraft erreichen. Zum Beispiel Loriot: Sein feiner Humor, seine genaue Beobachtung menschlicher Schwächen sind unerreicht. Genauso unmöglich ist es, ihn zu kopieren oder letztendlich überzeugend nachzuspielen. Doch in seinem Sinne buchstäblich weiterzudenken, das funktioniert: Der Musiker, Kabarettist, Schauspieler und nicht zuletzt Autor Piet Klocke tut dies in seinem neuen Buch „Fürs Leben muss man geboren sein“ beispielhaft wie anrührend.
Zuweilen ist es für die Urteilsfindung recht nützlich (oder spaßig), auch andere Meinungen zu lesen. Die finden sich zum Beispiel bei Kollegen. Oder Bewertungen von Jeff Bezos Online-Portal: „Was der Verfasser in diesem Buch zusammengetragen hat, ist für mich unterirdisch. Habe das Buch überflogen und dann entsorgt“, schreibt da einer. „Schwachsinn hoch 3. Abzocke, wenn man sich den Preis anschaut. Nee, Herr Klocke, für wie blöd halten sie die Menschen?“, meint ein anderer. Und ein dritter Kunde richtet: „Furchtbarer Schreibstil. Ungelesen sofort zurückgeschickt.“ Zugegebenermaßen muss man für den Humor Piet Klockes etwas übrighaben, für seine originelle Denke, die höchst selten den kürzesten und geraden oder überhaupt einen Weg nimmt.
Um noch einmal auf Loriot zurückzukommen: Herrlich sind ja dessen Zeichnungen und vor allem die distinguierten Kommentare dazu. Klocke hingegen kommt ohne knollennasige Unterstützung aus: Bei ihm ist die Sentenz das, was zählt. Sein Satzbau ist kunstvoll und erlesen. Es sind Reminiszenzen und melancholische Erinnerungen, kauzige Ideen, logische Schlussfolgerungen aus wirren Gedanken, Randbemerkungen zu seltsamen Erscheinungen und Kommentare zu Zeitgeist und Geistlosigkeit. Ein Favorit: „Sich für Unterforderungen zu belohnen, zeugt von gesunder, überprofessioneller Arroganz.“
Doch Obacht: „Fürs Leben muss man geboren sein“ bietet sich nicht zum Durchlesen an, denn freilich ist man dann (siehe oben) rasch überfordert – schließlich verschlingt man ja auch keine große Packung Pralinen auf einmal. Nein, das Buch ist für Sprach-Gourmets zum genussvollen Naschen da: „Es sollte auf jedem Nachttisch liegen. Jeden Abend ein Häppchen Klocke“, empfiehlt Elke Heidenreich. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Piet Klocke: Fürs Leben muss man geboren sein – notiertes Nichtwissen | Taschenbuch, 256 Seiten, 14,99 € | Heyne Verlag