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Händels Cembalo-Suiten auf einem Steinway D?

Ragna Schirmer hat – pünktlich zum Händel-Jahr 2009 – auf drei CDs die Cembalo-Suiten des Hallenser Tonsetzers eingespielt. Dass der Gehalt dieser Meldung über die reine Information hinausgeht, liegt an dem Wagnis, sich diesen Werken eben nicht auf dem Cembalo, sondern auf dem modernen Konzertflügel zu nähern.

Das haben zwar auch schon viele ihrer Kollegen getan, aber nicht in diesem „Ausmaß“: Schirmer präsentiert die erste Gesamteinspielung. Cembalo-Werke auf dem Klavier gespielt kennt man dennoch eher vom Kollegen Bach, dessen Konzerte für dieses Instrument ja bereits problemlos als Klavier-Konzerte durchgehen und dadurch sogar an Farbigkeit und Volumen gewinnen. Bei Händel verhält es sich anders, denn seine Tastenmusik ist weitaus filigraner, verspielter und entbehrt der barocken Strenge auf vitale Weise. Klappt das auch am Klavier?

Jawohl! Ragna Schirmer weist mit ihrem Spiel am Konzertflügel weit in die Zukunft: Statt Händel „nur“ anders koloriert zu lauschen, ahnt der Hörer spätere Meister voraus. Dass es sich hier um eine Gesamteinspielung handelt, tut dem Genuss keinen Abbruch: Statt stoisch eine Suite nach der anderen zu wiederzugeben, fühlt sich Schirmer in jede Note neu ein. Fazit: Händel wird einmal mehr neu gespielt, aber weitaus mehr neu gehört.

Ist Bach auch auf dem Klavier meist nichts anderes als Bach, macht Schirmer deutlich, wie sehr auch Händel spätere Komponisten beeinflusst hat. Dass sich die Pianistin am Flügel nicht sklavisch an die Partitur halten kann, ist ein weiterer Gewinn, gibt das moderne Instrument ihr doch genügend Gelegenheit, zur geistreichen Improvisation. Und so verspürt man schon im Prélude der ersten Suite B-Dur (HWV 434) durchaus romantischen Esprit. Und ist das wirklich Händel im zweiten Satz – oder doch schon Mozart? Und in der Aria con variazione – da hört man eher das Brausen Beethovens?

Keine Frage, Ragna Schirmer hat mit diesen Suiten Stücke gewählt, die die ihren sind, hat sie doch zu Händel nicht nur durch die Wahl ihres Wohnorts Halle eine besondere Beziehung, die sie dem Hörer mitteilen und so Händels Musik für ihn erlebbar machen möchte.

Auf dem täglichen Weg von ihrer Wohnung zur Aufnahme im Freylinghausen-Saal der Frankeschen Stiftung in Halle habe sie Händels Statue auf dem Marktplatz immer freundlich zugenickt, erzählt Ragna Schirmer im Booklet der bei Berlin Classics eingespielten CD. Würde man dem Monument einen Kopfhörer aufsetzen und könnte der Komponist so diese Musik hören – er würde mindestens ebenso freundlich zurück nicken.

Ragna Schirmer: Suites de Pièces pour le Clavecin, HWV 426-442 (1720 & 1733), Die Klaviersuiten; Berlin Classics Nr. 0016452BC

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