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Erfolgreiche Schatzsuche

Wollte man jedes einzelne Werk dieser höchst gelungenen Gesamteinspielung der Musique Religieuse von Gabriel Fauré thematisieren, man käme zu keinem Ende. Daher sei hier der Gesamteindruck dieser ersten, durch das Label Rondeau Production realisierten Kompletteinspielung wiedergegeben. Und der ist schlicht überwältigend: Welch musikalische Schatzkiste tut sich hier auf! Neben dem Requiem (in den Versionen von 1888 und 1889 sowie 1893) und der Messe basse hört man viele kleinere Werke, sämtlich für den liturgischen Gebrauch komponiert und daher von durchaus intimem Charakter, die ebenfalls sehr reizvoll sind. Auf zwei CDs begibt sich der Hörer somit auf eine deliziöse Entdeckungsreise.

Hier entdeckt man neben Bekanntem beispielsweise die Vertonung von Psalm 136 „Super flumina Babylonis“, die erst 1997 ediert wurde und keine Opusnummer trägt: Empathisch werden hier im Orchester die fließenden Wogen beschrieben, Chor und Solisten drücken die Trauer des im Exil lebenden Volkes Israel aus: ein funkelnder musikalischer Edelstein unter vielen. Wobei die Faszination in der Vielfalt der Besetzungen liegt: Chor und Orchester, Solostimmen alternierend mit vokalem Tutti, begleitet von Harfe und Orgel, Streichern oder Klavier.

Faurés Musique Religieuse wird dabei präsentiert von großartigen Künstlerinnen und Künstlern, zuvorderst vom Quilisma Jugendchor Springe. Die juvenilen Stimmen entsprechen dem Knabenchor, der Fauré einst an der Kirche „La Madeleine“ zur Verfügung stand, aufs Beste und lassen in puncto Homogenität und Transparenz keine Wünsche übrig. Chorleiter Keno Weber ist das Meisterstück gelungen, das Ensemble über die Coronajahre – die Aufnahme entstand im Spätsommer 2021 in der Hildesheimer St. Michaeliskirche – zusammenzuhalten und für diese Aufnahme bestens vorzubereiten. Die neugierige und entdeckungslustige Musizierfreude ist in jedem einzelnen Werk sympathisch herauszuhören.

Natürlich sticht das Requiem op. 48 hervor, das auf der zweiten CD zu hören ist. Keno Webers Interpretation muss sich dabei hinter keiner anderen verstecken, was neben dem hervorragenden Orchesterklang vor allem der natürlichen und durchaus bewegenden Anmutung des Chores zu verdanken ist: Allein der Satz „In paradisum“ steht buchstäblich für sich. Aus den Reihen dieses Ensembles kommt Sopranistin Kea Radons, die auf der ersten CD zu hören ist, dem Solistenquartett – Josefine Mindus (Sopran), Ruth Häde (Alt), Steffen Kruse (Tenor) und Konstantin Ingenpaß (Bass) – in Nichts nachsteht und die großartige musikalische Arbeit hier zusätzlich dokumentiert.

Jede der genannten Stimmen nimmt sich Faurés Werk mit dem gleichen Feingefühl an wie die Mitglieder der Hannoverschen Hofkapelle auf modernen Instrumenten. Robin Hlinka spielt die Orgel und Cristian Peix Klavier. Zu hören sind hier auch instrumental begleitete Stücke für Solostimme wie das anrührende „Noël“ op. 43,1 für Sopran und „Nocturne“ op. 43,2 für Alt. Das informative Booklet aus der Feder von Keno Weber führt zudem kundig in die großen und kleineren Werke ein. Fazit: Die erste Gesamteinspielung von Faurés Musique Religieuse überzeugt auf ganzer Linie und wird daher wärmstens empfohlen – ein wahrer Hörgenuss.

Gabriel Fauré: Musique Religieuse | Quilisma Jugendchor Springe, Josefine Mindus und Kea Radons (Sopran), Ruth Häde (Alt), Steffen Kruse (Tenor), Konstantin Ingenpaß (Bass), Hannoversche Hofkapelle, Robin Hlinka (Orgel), Cristian Peix (Klavier), Keno Weber (Leitung) | Rondeau Production ROP620607

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