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Schemelli kriegt Konkurrenz

Alle Jahre wieder kommt nicht nur das Christuskind, sondern wird der Musikmarkt mit diversen neuen CDs beschenkt, wobei sich das „Neue“ nur allzu oft auf den Interpreten beschränkt, weil sich die weihnachtlichen Programme nicht selten gleichen: Man hört Altbekanntes, vielleicht in frischem Arrangement, doch ohne manche Klassiker scheint kaum eine Einspielung auskommen zu wollen.

Da tut es gut und lässt aufhorchen, wenn man auf CDs wie „Weihnachten bei Freylinghausen“ stößt. Der Hörer besucht sozusagen den in Hymnologen-Kreisen geschätzten Johann Anastasius Freylinghausen (1670-1739), Dichter und Sammler frommer Gesänge, die er als „Geist-reiches Gesangbuch“ aus älteren Liedern und seinerzeit wohl „Neuem geistlichen Lied“ kompilierte und 1704 in einer ersten Ausgabe publizierte.

Aus diesem Kompendium nun haben David Erler (Altus) und Martin Steuber (Theorbe und Barocklaute) 21 Lieder ausgewählt, mit denen sie zu einer buchstäblich besinnlichen Adventszeit einladen. Die behandelten Zeitabschnitte im Kirchenjahr sind „Von der Zukunft Christi ins Fleisch: Oder Advents-Lieder“, „Von der Zukunft Christi zum Gericht“, „Von der Menschwerdung und Geburt Christi“, „Neu-Jahrs-Lieder“, „Von Jesu und dessen mannigfaltigen Namen und Aemtern“, „Aufs Fest der Erscheinung Christi“ sowie „Aufs Fest der Reinigung Mariä“. Und ja: Es geht durchaus fromm zu auf dieser CD, war Freylinghausen doch Theologe der pietistischen Schule in Halle.

Aufgenommen wurde diese bei Rondeau erschienene CD übrigens vor Ort, nämlich im Freylinghausen-Saal der Franckschen Stiftung Halle – das Booklet gibt beredt Auskunft über dieses wichtige Kapitel der Gesangbuchforschung und die Aufnahme selbst darf sich dabei selbst als klangvollen Beitrag zur Hymnologie betrachten. David Erler zieht die Lieder – Choräle und vertonte Gedichte, die durchaus den Charakter des romantischen Kunstlieds haben – mit frischer und dynamischer Gestaltung behutsam ins Heute. Dem Hörer seien allerdings gute Boxen gewünscht – oder noch besser Kopfhörer, um den leicht halligen Raumklang zur Gänze einzufangen.

Dass das ansonsten informative Booklet nicht die gesungenen Texte enthält, ist das einzige Manko dieser Produktion. Zwar finden sich Verse natürlich im Internet – sogar Scans des Originals –, doch wäre ein Nach- oder Mitlesen in gedruckter Form sicherlich die bessere Variante. Allerdings besticht Erlers Interpretation durch eine deutliche, unprätentiöse Aussprache, der man gut folgen kann. Martin Steuber begleitet mit ruhig fließender Basslinie und zuweilen Funken schlagender Oberstimme und gibt dem gesungenen Wort damit eine weitere Klangebene, ergänzt durch zwei Solostücke aus der Sammlung „Auserlesene Lauten-Stücke“ (Nomen est omen!) von David Kellner (1670-1748).

Freilich ist „Weihnachten bei Freylinghausen“ in erster Linie etwas für Liebhaber schön musizierter und neu zu entdeckender Alter Musik. Doch eignen sich diese nicht allzu schweren Lieder mit ihrem ariosen Ton – beim „Geist-reichen Gesangbuch handelte es sich notabene um Gebrauchsmusik – durchaus zum Nachsingen: Die Noten liegen (wenn auch nicht gerade preiswert) in gedruckter Form vor und „Weihnachten bei Freylinghausen“ könnte durchaus dazu beitragen, dass Bachs „Gesänge zu Schemellis Musicalischem Gesangbuch“ ein wenig Konkurrenz bekommen Das Geistliche Lied lässt derart solitär betrachtet – auch diese Erkenntnis ist ein Verdienst der Einspielung – nämlich durchaus Spannendes entdecken.

Weihnachten bei Freylinghausen | David Erler (Altus), Martin Steuber (Theorbe & Barocklaute | Rondeau ROP6232

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