Vergessene Männerchöre aus der Versenkung geholt
„Liebes Kücken! Ich schicke Ihnen hier einige Eier, gackeln Sie nicht so lange darauf und lassen Sie bald von sich hören“, schrieb der Dichter Heinrich Heine im Februar 1843 an den befreundeten Komponisten Friedrich Wilhelm Kücken. Der lebte von 1810 bis 1882 und komponierte mit Vorliebe für Männerchor. Seine illustre Biografie wird im Booklet der bei von Rondeau produzierten CD mit Werken für diese Besetzung beschrieben – allesamt Ersteinspielungen.
Dass diese Musik nach dem Tod des Komponisten bald in Vergessenheit geriet, liegt nach Einschätzung des Musikverlegers Dr. Reinhard Wulfhorst in ihrer Schlichtheit und Eingängigkeit: Küken schrieb bewusst für die breite Masse. Dass dabei durchaus auch Klasse entstehen kann, dokumentiert die vorliegende CD.
Nun liegt das vor allem auch an der natürlichen, neugierigen und geradezu liebevollen Aneignung durch den 16-stimmigen jungen Männerchor „ffortissibros“ aus Schwerin, der unter der Leitung von Benedikt Kantert munter den Staub von den Kücken-Sätzen bläst. Aus 65 Männerchören, die für eine Ausgabe der Edition Massonneau zusammengetragen wurden, haben die Herren 17 Stücke ausgesucht, die das Schaffen des Komponisten exemplarisch beleuchten. Zwar finden sich darunter keine Heine-Vertonungen, aber Texte unter anderem von Ludwig Tieck, Ludwig Uhland oder Friedrich Rückert; besungen werden die großen Themen der Romantik: Liebe, Natur und Glaube.
Die von der Kritik seinerzeit bemängelte Tiefe der Kompositionen wird dabei durch die beseelte Interpretation durch „ffortissibros“ problemlos aufgewogen. Die Männerchor-Register sind fein und äußerst homogen besetzt, das Ensemble hat einen satten und doch differenziert weichen Klang mit sowohl im Piano als auch im Forte hoher dynamischer Kultur, was die Hörer wie eine herzliche Umarmung umfängt. Zu erwähnen sind auch die ansprechenden Qualitäten der solistischen Einwürfe – nicht ohne Grund räumte der erst 2019 am Schweriner Goethe-Musikgymnasium gegründete Männerchor bald Preise und Auszeichnungen ab.
Die Ausdrucksform Kükens ist vielfältig und reicht von sehnsuchtsvollem (aber eben alles andere als kitschigem) Schmachten bis zum munteren Chor aus Jagdhörnern – beste Zutaten also für derart blutvoll-maskulinen A-cappella-Gesang. Mit diesen Kleinoden heben die jungen Sänger nicht weniger als einen kleinen Musikschatz und machen neugierig: sowohl auf Friedrich Wilhelm Kücken (dem Rondeau auch mit einer vor kurzem erschienen Lieder-CD mit Mezzosopran Sophia Maeno, Bariton Andreas Beinhauer und Pianistin Maša Novosel ein hörenswertes Denkmal gesetzt hat), als auch auf Weiteres von „ffortissibros“.
Friedrich Wilhelm Kücken: Werke für Männerchor | ffortssibros, Benedikt Kantert (Leitung) | Rondeau ROP6265