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Die Faszination des Einfachen

„Nightfall“ – zu Deutsch Abenddämmerung – heißt die CD des Jugendchors Hochtaunus, die, bei Rondeau erschienen, das fast 500 Seiten starke Chorbuch „Romantik a cappella 2“ aus dem Helblinger Verlag quasi als Hörbeispielsammlung begleitet.

Das Niveau, auf dem die Sängerinnen und Sänger zwischen 14 und 28 Jahren hier unter der Leitung von Tristan Meister musizieren, ist beachtlich: Intonation und Transparenz sind makellos, die Register mischen sich wunderbar homogen, der Gesamtklang ist eine aparte Mischung aus sattem Tuttiklang und juveniler Frische.*

18 Chorlieder der Romantik werden hier vorgestellt, darunter die „üblichen Verdächtigen“: das „Abendlied“ von Josef Gabriel Rheinberger, „Ach arme Welt“ von Johannes Brahms, das „Nachtlied“ von Max Reger. Doch sie sind in der Minderheit: Die Künstler zeigen dem Zuhörer, dass die Epoche der Romantik musikalisch auch in den europäischen Nachbarländern delikat Blüten trieb. Neben Sergei Rachmaninows „Bogoróditse Déwo“ hört man Edward Elgar, Camille Saint-Saëns und Edvard Grieg oder Mina Härma aus Estland und den Polen Stanislaw Moniuszko mit seiner Variante des „Abendliedes“ auf den gleichen Text wie Rheinberger.

Beim diesem bleibt man auch hängen: Seinen geistlichen Gesang aus Opus 69 hat man schon sattsam gehört – doch noch nie so ergreifend wie hier. Dabei macht Tristan Meister nichts anderes, als das Tempo zu drosseln und sich fast schon in Zeitlupe durch die Modulationen zu bewegen. Das geht unter die Haut und ist sicherlich eine Referenzeinspielung.

In Bezug auf das erwähnte Chorbuch gilt das für sämtliche hier präsentierten Stücke: Es soll gezeigt werden, wie schön man die abgedruckten Lieder singen kann. Da sich das Notenkonvolut ja nicht nur an professionelle Ensembles wendet, stellen sie harmonisch wie satztechnisch gewiss keine übermäßigen Ansprüche. Doch der Rückschluss, dass das alles dann auch ganz einfach zu singen ist, trügt und es ist die große Kunst des Jugendchors Hochtaunus, die Tiefe unter der vermeintlichen Oberfläche klangvoll auszuloten, wobei man die Faszination des Einfachen entdecken darf.

Begleitet wird der Klangkörper in zwei Stücken von jungen Solisten, die dem hohen Niveau der chorischen Leistung folgen: Johanna Beier (Sopran) in John Albert Delanys „Ave Maria“ und Nikolaus Fluck (Bass) in „I Himmelen“ von Edvard Grieg. „Nightfall“ ist die erste CD des Jugendchors Hochtaunus. Und gleich ein großer Wurf.

Nightfall – Sacred Romantic Part Songs | Jugendchor Hochtaunus, Johanna Beier (Sopran), Nikolaus Fluck (Bass), Tristan Meister (Leitung) | CD Rondeau

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