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Krönung mit anschließendem Sektempfang

Wer den Mainzer Dom kennt, weiß: Hier wird in mehreren Ensembles anspruchsvoll musiziert, doch die Akustik dieser Kathedrale ist äußerst knifflig. Konzerte sind natürlich ein Erlebnis, doch so richtig durchhörbar ist die Musik live eben nicht. Die Tonmeister von Rondeau aber kennen sich hier bestens aus und wissen, wo sie die Mikrofone aufstellen müssen, um einen Raumklang zu kreieren, in dem die Musik ihre Wirkung richtig entfalten kann.

Darüber durfte man bereits 2018 bei Bruckners f-Moll-Messe staunen, nun legt der Mainzer Domchor eine neue CD vor: die Missa Solenne des Italieners Vincenzo Maria Righini (1756-1812), musiziert mit dem Mainzer Domorchester und dirigiert von Domkapellmeister Karsten Storck.

Righini war seinerzeit in Mainz kein Unbekannter: Ab 1787 leitete er die kurfürstliche Hofkapelle. Und vor Ort existierte ein blühendes Musikleben, zu dessen Höhepunkten 1790 die Krönung von Kaiser Leopold II. gehörte. Die Feierlichkeiten im Dom gestaltete die Hofkapelle gemeinsam mit den kaiserlichen Hofmusikern unter der Leitung von Antonio Salieri. Der Mainzer Domchor legt mit dieser CD nicht nur eine Liveaufnahme, sondern auch die Weltersteinspielung dieser Musik vor.

Das an Mozart erinnernde oratorische Werk klingt voll und transparent, der Chor ist präsent, überdeckt die Musiker jedoch nicht. Ruhig lässt Karsten Storck die Einleitung pulsieren, delikat intoniert vom Domorchester. Zum Kyrie wechselt der bedächtige Duktus jäh und wie ein gleißender Lichtstrahl fällt der Chor ein. Akzentuiert und gut durchhörbar gestaltet der Knabenchor das gesungene Gebet, in das die Solisten einstimmen. Yuuki Tamai (Sopran), Ruth Katharina Peeck (Alt), Frederik Bak (Tenor), Younjin Ko (Bass) gestalten ihre Partien dabei stets homogen und mit Augenmaß: Man ahnt den Bühnenkomponisten Righini, eine „Oper im Kirchengewand“ wie Verdis Requiem hört man aber nicht.

Der Mainzer Domchor singt – mit dem Solistenquartett durchaus auf Augenhöhe – intonationssicher und auch sprachlich überzeugend. Der Chorklang ist kraftvoll und haben die Knabenstimmen silbrigen Schneid, sorgen die Männer für eine satte Grundierung. Im Sanctus kostet die Aufnahme den Hall voll aus, was eine faszinierende klangliche Mehrdimensionalität erzeugt. Die jungen Sänger zeigen dabei gerne ihre Muskeln, vermeiden jedoch vokale Kraftmeierei: Auch in Forte-Passagen wie in den Fugen des Gloria oder Credo bleibt die Musik durchhörbar, während sie in den ruhigeren Partien fast schon kammermusikalischen Geist atmet.

Dafür steht vor allem das zweite (nicht live eingespielte) Orchesterwerk, das G-Dur-Quintett von Johann Franz Xaver Sterkel (1750-1817), wie Righini Mitglied der Hofkapelle und sein Nachfolger als Kapellmeister. Für diese Aufnahme hat Karsten Storck die Musik, mit der nach der feierlichen Krönung sozusagen zum eleganten Sektempfang gebeten wird, aus den Originalstimmen für Streichorchester bearbeitet und sie damit ansprechend potenziert. Es spielt das Mainzer Domorchester, das nun auch mal „solistisch“ dokumentieren kann, welch verlässlichen und erlesenen instrumentalen Klangkörper die Chöre hier stets an ihrer Seite wissen dürfen. Das fein musizierte Stück gewinnt durch die geschmackvolle Ausbalancierung konturreich an Volumen und ist weit mehr als eine schöne Ergänzung des Righini.

Vincenzo Righini: Missa Solenne | Yuuki Tamai (Sopran), Ruth Katharina Peeck (Alt), Frederik Bak (Tenor), Younjin Ko (Bass), Mainzer Domchor, Mainzer Domorchester, Karsten Storck (Leitung) | CD Rondeau Nr. ROP6192

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