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Weniger Kraft, dafür mehr Wirkung

Fügt man bei einem bekannten, oft musizierten und sattsam eingespielten Werk der Reihe noch eine Aufnahme hinzu, sollte sie mehr sein als eine weitere, wenngleich auch im besten Fall professionelle Wiedergabe. Verdis Requiem ist so ein Fall.

Der 2018 entstandene Live-Mitschnitt eines Konzerts des Leipziger Universitätschors erfüllt dieses Kriterium vor allem deswegen, weil Dirigent David Timm seinen Sängerinnen und Sängern hier mit dem Mendelssohnorchester Leipzig einen historisch informiert spielenden Klangkörper zur Seite stellt, was dem oft als Kraftmeierei daherkommende Werk einen deutlich entspannteren Duktus verleiht. Das nimmt der Musik jedoch keinesfalls die Wirkung – im Gegenteil: Vom Druck befreit rückt Timms Interpretation Verdis Requiem in ein neues, sanfteres Licht. Das tut allen gut: den Aufführenden, dem Zuhörer und nicht zuletzt der Musik.

Der Chor präsentiert sich dabei als hoch ambitionierter Laienchor mit semiprofessionellem Einschlag transparent und mit ansprechender Diktion sowie homogenem Klang. Da Timm die Instrumente in der zu Zeiten Verdis gängige Stimmtonhöhe von 438 Herz spielen lässt, gestaltet sich der vokale Spielraum angenehmer. Selbst im „Dies irae“ wird daher nicht gebrüllt, sondern wie in allen Dynamikstufen kultiviert musiziert. Das bekommt auch dem Solistenquartett: Viktorija Kaminskaite (Sopan), Marie Henriette Reinhold (Mezzosopran), André Khamasmie (Tenor) und Wolf Matthias Friedrich (Bass) überzeugen sowohl einzeln als auch im Ensembleklang als geschmackvolle Kombination.

Noch etwas adelt diese Einspielung: Das live mitgeschnittene Konzert vom 2. November 2018 fand in der Leipziger Thomaskirche statt. Die natürliche Akustik verleiht Verdis viel zitierter „Oper im Kirchengewand“ etwas Würdevolles, fast schon Dreidimensionales, was das Konzerterlebnis durch geschickte Mikrofonierung ohne allzu große Reibungsverluste wiedergeben dürfte – ein Kunstgriff, den das Leipziger Label Rondeau ja auch schon bei anderen Produktionen effektvoll eingesetzt hat.

Alles zusammen ergibt eine durchaus inspirierte Einspielung, die Verdis Requiem im weichen Klang der historischen Stimmung in einem warmen Licht erscheinen lässt und der oft plakativ inszenierten Musik den intimen Charakter des innigen Gebets verleiht. Die Mixtur aus jungen Chorstimmen, exzellenten Solostimmen und dem wunderbar musizierenden Mendelssohnorchester schenkt zudem intensive Momente und ein spannendes Musikerleben dieses populären Werks.

Giuseppe Verdi: Messa da Requiem | Viktorija Kaminskaite (Sopan), Marie Henriette Reinhold (Mezzosopran), André Khamasmie (Tenor), Wolf Matthias Friedrich (Bass), Leipziger Universitätschor, Mendelssohnorchester Leipzig, David Timm (Leitung) | Rondeau Production Nr. ROP6196

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