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So nicht

Ach, Bachs Goldbergvariationen! Gerne denkt man an jenes Konzert zurück, als sie auf dem Klavier gespielt wurden. Danach lief man eine Weile zum Auto und zurück, denn dort lag das vergessene Portemonnaie – schließlich wollte man unbedingt die CD des Künstlers als Andenken an dieses Konzerterlebnis kaufen. Manche mögen für eine Camel meilenweit gehen – man selbst tat es hier für Bach und den Pianisten Matthias Fuchs.

Niklas Liepe stellt mit „#GoldbergReflections“ sein zweites Studioalbum vor. Das Album folgt der Idee der 2017 bei Sony veröffentlichten und künstlerisch sehr hörenswerten Auseinandersetzung mit den 24 Capricen für Solovioline von Niccolo Paganini: Die Originalpartien sind zeitgenössischen Kompositionen gegenübergestellt. Ein wenig verwundert einen vielleicht, dass Liepe das (ja nun leider doch nicht gefeierte) Beethovenjahr nicht für einen entsprechenden Beitrag nutzte. Stattdessen versucht er nun (wiederum auf zwei CDs), sein Konzept bei Bach anzuwenden – und scheitert vergleichsweise krachend.

15 Stücke aus den Goldbergvariationen hat Liepe ausgewählt und diese von Andreas N. Tarkmann arrangieren lassen. Diesmal musiziert der Geiger mit der NDR Radiophilharmonie unter der Leitung von Jamie Phillips. Das Orchester spielt blutvoll, die Aufnahme ist gut ausgesteuert, man erlebt einen überzeugenden Raumklang. Aber so mag man Bach doch nicht (mehr) hören! Das klingt zuweilen so teigig wie die fraglos interessanten, aber doch heute völlig antiquierten und aus der Zeit gefallenen Adaptionen eines Leopold Stokowski.

Die Zusammenstellung erschließt sich nicht, genauso wenig der Zusammenhang zwischen den Bach-Bearbeitungen und den Neukompositionen, die teils (und vor allem für sich genommen!) durchaus originelle Musik sein mögen. Nein, hier erlebt man, um eine Booklet-Überschrift zu zitieren „Nächtliche Fieberphantasien zwischen einst und jetzt“. 15 mal steht Bach nicht weniger als elf zeitgenössischen Komponisten mit insgesamt 16 Stücken gegenüber – leider ohne jeden auch nur zu ahnenden roten Faden.

Wo bitte ist der „Dialog mit Bach“ von Rolf Rudin, wenn er den alten Meister erst zum Schluss zu Wort kommen lässt? Sidney Corbetts schwer zu ertragender „Goldberg Hallucination Remix“ ist ein glaubwürdiges Argument, niemals zu Drogen zu greifen und Tobias Rokahrs „Sleepless (Goldberg goes crazy)“ schlicht eine Frechheit.

Daniel Sundy lässt es schön swingen und Friedrich Heinrich Kern präsentiert ein Verrophon genanntes Glasplattenklavier. Manches ist durchaus gelungen und erfrischend wie „GoldBergHain“ von Stephan Koncz. Doch bis man ihn auf der zweiten CD endlich hören darf, ist einem die Lust auf die und an den Goldbergvariationen für diesmal leider schon längst abhandengekommen.

#GoldbergReflections | Niklas Liepe (Violine), NDR Radiophilharmonie (Leitung: Jamie Phillips) | Sony 194397783002

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