Tiefgründiger Humor bei ernstem Thema
„Die Bekenntnisse der Hochstaplerin Helene Bockhorst“ heißt das neue Programm der Hamburger Kabarettistin. 2020 erschienen ihr erstes Buch „Die beste Depression der Welt“, eine Art Spin-off ihres Debütprogramms „Die fabelhafte Welt der Therapie“.
Ging es hier auf frivol-prickelnde Weise um die Körperlichkeit, ist Sex nur eines von mehreren Strängen der Romanhandlung um die Mittdreißigerin Vera, die nach einem Selbstmordversuch einen Post absetzt, der einen Verlag hellhörig werden und ihr einen Buchvertrag für einen Ratgeber zum Umgang mit Depressionen anbieten lässt. Ein gehöriger Vorschuss entledigt die gescheiterte Journalistin kurzfristig aller Geldsorgen. Doch ein großes Problem bleibt: die Depression.
Kann man einen (übrigens nicht immer nur) lustigen Roman über ein so ernstes Thema schreiben? Helene Bockhorst hat es gemacht. Herausgekommen sind 320 Seiten, die man dank eines elegant-flüssigen Stils mit offenem und oft unterschwelligem Humor schnell gelesen hat. Die Handlung ist frei erfunden, doch die Kabarettistin weiß, wovon sie schreibt. Im Interview erzählt sie: „Die Gedanken und Gefühle, die geschildert werden, habe ich genau so erlebt. Wie sich die Depression für mich angefühlt hat, welche Sorgen und Ängste ich in den besonders schwierigen Phasen hatte, all das habe ich so schonungslos und ehrlich wie möglich aufgeschrieben.“
„Die beste Depression der Welt“ ist kein Ratgeber: „Jemand, der ganz akut an schweren Depressionen und vielleicht sogar Suizidgedanken leidet, braucht in erster Linie therapeutische Unterstützung“, betont die Autorin: „Jemandem, der gerade ertrinkt, würde man auch kein Buch an den Kopf werfen und sich wundern, warum das nicht ‚hilft‘.“ Ein wenig erinnert der Roman an den Bestseller „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“: Auch wenn man nicht persönlich betroffen sein mag, fühlt man doch intensiv mit der Protagonistin, so genau hat Bockhorst ihre Erfahrungen in Worte gefasst.
Als Leser leidet man durchaus ein wenig, wenn Vera partout nicht aus dem Quark kommt: Hat man das nicht schon Seiten vorher gelesen? Mit dieser quälenden Wiederholung bekommt man jedoch den Hauch einer Ahnung, wie sich ein von Depressionen geplagter Mensch fühlt, wenn allein das morgendliche Aufstehen zur Marter wird. Erinnerungen führen Vera in eine Kindheit voller Enttäuschung, Gewalt und Ablehnung. Die eigene Ehe ist gescheitert, doch der Ex klammert weiter. Vera flüchtet sich in Sexabenteuer, Drogen – und immer fragt ihr Lektor nach den Fortschritten des noch nicht mal konzipierten Ratgebers. Sie beneidet sogar Menschen mit einer „richtigen Krankheit“, die die Leute respektierten: „Es müsste etwas sein, was man sieht, und wo niemand argumentieren kann, man müsste sich nur zusammenreißen.“ Helene Bockhorst weiß hingegen: „Es gibt immer noch Leute, die denken, wer nicht einem bestimmten Klischeebild entspricht, ist gesund, aber wie die meisten Krankheiten hat die Depression unterschiedliche Gesichter.“
„Die beste Depression der Welt“ ist im Ullstein-Verlag erschienen (320 Seiten, 20 Euro).