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Sein Handwerk hat doppelten Boden

Marco Tschirpke begeistert das Publikum seit langem mit seinen nur scheinbar zuweilen kruden Gedankengängen, die er im Licht des Geistesblitzes in Verse schmiedet und Melodien fasst. Drei Tonträger mit „Lapsusliedern“ sind bereits erschienen, das vierte folgt aktuell und besticht einmal mehr durch den trockenen Humor, dessen Doppelbödigkeit und Hintersinn bei jedem Hören neue Finessen offenbart.

„Lapsuslieder 4“ ist ein schönes, kleines Album, gekonnt angejazzt, 40 Minuten lang – und damit zu kurz, weswegen es sich lohnt, diesen Künstler mal auf der Kabarettbühne live zu erleben. In 31 Nummern blättert man sich gefühlt durch das geistige Notizbuch eines Kleinkünstlers, der die Libido seines Tasteninstruments besingt oder dem Requiem der Laubbläser im Herbst lauscht. Der Feingeist der filigranen Gedanken-Konstrukte wird dabei von der swingenden Musik untermalt und schwebt wie ein ausklingender Akkord im Raum, bis ihn der nächste Denkansatz davonweht.

Die würzige Kürze der Gedanken lassen diese wie nebenher eingestreut wirken. So groovt der Ratschlag dahin, sich eine Lehrerein zu suchen, wenn man sich nach einer „Frau mit Klasse“ sehnt, das Eingeschlossensein in des Geistlichen Gebet erzeugt Klaustrophobie und die „Freuden des Alters“ findet im Stadtpissoir statt – oder eben auch nicht.

Lässig sinniert Tschirpke intelligent, gemein und augenzwinkernd verwundert über allerhand Sonderbares: das geschenkte Kleid, das die Freundin noch am selben Tag trägt, wenn auch nur zum Roten Kreuz, die Menge Holz, die die weltweit angebeteten Kreuzessplitter Christi rein rechnerisch ergeben würden, Piercings, das Medikament, das zwar den Magen aufräumt, das Zimmer aber nicht, Rothäute und Sonnenstudios oder der Konsument als fünftes Rad am Einkaufswagen.

Natürlich gibt es hier viel zu schmunzeln, aber man darf auch nachdenken, ohne dabei den Spaß am Hören zu verlieren. Unterhält sich Tschirpke in seinem Poem „An immerfort denselben“ vielleicht mit seinem Spiegelbild? „Handwerks goldner Boden“ demaskiert den wackeren Klempner, Bäcker und Schuster und in „Vanitas“ bringt eine garstige Pointe einen anthroposophischen Gedankengang krachend zum Einsturz. Und was macht der Pfarrer nach Feierabend? Das letzte Lapsuslied verrät’s…

Marco Tschirpke: Lapsuslieder 4; Brokensilence 06683

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