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Wer beeinflusste Bach?

Dass Johann Sebastian Bach die Musik nach ihm wie kaum ein anderer geprägt hat, ist kein Geheimnis. Aber wer beeinflusste ihn? „Walther, Westhoff, Bach“ – schon der Titel der CD von Uta Pape (Violine) mit Klaus Mader (Therobe), Olaf Reimers (Barockvioloncello) und Wolf-Eckart Dietrich (Cembalo) gibt bereits eine Antwort.

Neben der Partita Nr. 2 d-moll für Violine solo (BWV 1004) von Bach am Schluss lassen vor allem die Werke Johann Jacob Walthers (1650-1717) und Johann Paul von Westhoffs (1656-1705) aufhorchen. Hier ergründet Pape die musikalische Verwandtschaft zwischen diesen drei Komponisten, denn die eingespielten Werke sind beredtes Zeugnis der zunehmenden Virtuosität, der wachsenden Perfektionierung individueller Technik und des polyphonen Geigenspiels in Mitteldeutschland.

Kannte Bach die Werke seiner Kollegen? 1703 hielt er sich zumindest am Hof von Weimar auf, wohin von Westhoff 1698 als „Violinista und Kammersekretarius“ ging. Wie dieser gehörte Walther von 1674-1680 der Dresdner Hofkapelle an, von wo er an den kurfürstlichen Hof in Mainz wechselte. Auch Uta Pape stammt aus Mainz – dass diese kleine lokale Gemeinsamkeit in der geistigen Verwandtschaft ihr Echo findet, ist indes nicht zu überhören.

Vier Werke hat Pape ausgewählt, um den Einfluss von Westhoffs und Walthers auf Bach aufzuzeigen. Als Vortrags- wie Übungsstücke für die Violinisten ihrer Zeit steigerten sie das Niveau immens und brachten somit die Violine auf ihren Weg als Soloinstrument, auf dem Bach sie, dann schon weiter fortgeschritten, antraf.

In Walthers „Hortulus Chelius“ – einem „wohl-gepflanzten violinischen Lust-Garten“ sowie von Westhoffs Sonata Nr. 2 in a-moll und der Suite Nr. 5 in d-moll brilliert Pape mit akzentreichem und atmosphärisch dichtem Siel, mal tänzerisch, mal mit singend-klarem Ton. Die hohe Virtuosität der Musik spiegelt sich in der Interpretation wider, was zeigt, wie intensiv sich die Violinistin in die Klangwelt von einst einfühlt und damit ins Hier und Jetzt zieht. Mit ihrer sich rasch auf den Hörer übertragenden Spielfreude bewältigt sie dieses Kapitel der Musikgeschichte alles andere als trocken.

Hört man am Schluss nun Bachs Partita, so scheint die enorme Steigerung der Kunstfertigkeit, die Walther als einer der größten deutschen Violinisten des 17. Jahrhunderts kompositorisch und spieltechnisch bewirkte, ihrem Höhepunkt entgegenzustreben. Von Westhoffs Solosuiten aus dem Jahr 1696 gelten notabene als die einzigen für Violine vor denen Bachs und werfen ihren stilistischen Schatten somit von einer anderen Seite her auf das Werk des Thomaskantors – quod erat demonstrandum.

Walther, Westhoff, Bach: Uta Pape (Violine) mit Klaus Mader (Therobe), Olaf Reimers (Barockvioloncello) und Wolf-Eckart Dietrich (Cembalo); ARS 38126 (SACD)

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