Musik, die entspannt Weite atmet
Früher war ein A-cappella-Ensemble fast etwas Exotisches, heute finden sich immer öfter talentierte Stimmen zu solchen Formationen. Schade ist es, wenn es sich dabei um Solisten handelt, denen es schwerfällt, sich ins Ensemble einzugliedern. Das ist bei der Gruppe „Voktett“ aus Hannover glücklicherweise nicht der Fall.
Acht Sängerinnen und Sänger bilden hier eine Einheit und machen vor allem eines: chorisch denken, empfinden und eben auch singen. Dabei entsteht ein kraftvoller und klarer Ensembleklang ohne störendes Vibrato, dafür aber mit wunderbar transparenter Akkordsprache und hervorragender Textverständlichkeit. Je vier Damen und Herren besetzen die einzelnen Register äußerst homogen, man hört Musik, die entspannt Weite atmet.
„Liebesweisen “ ist die zweite Voktett-CD und bei Rondeau als Sonderpreis des Labels für den Ersten Preisträger beim Deutschen Chorwettbewerb 2018 in Freiburg erschienen (das Debütalbum von „Voktett“ wurde 2015 aufgenommen, wo man beim Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Hochschulwettbewerb ebenfalls als Erster Preisträger hervorgegangen war). Der aktuelle Tonträger stellt die Interpretation geistlicher und weltlicher Musik von Thomas Tallis und Thomas Tomkins über Johannes Brahms, Gustav Mahler und Jean Sibelius bis hin zu zeitgenössischen Werken von Giacinto Scelsi und Vaclovas Augustinas vor.
Thematisch gebunden durch das Sujet der Liebesbekenntnisse wird der Hörer geschmackvoll durch die Epochen geführt. Die Mitglieder von „Voktett“ zeigen dabei, wie großartig sie ihr Handwerk verstehen: Bis in den letzten Winkel loten sie jedes einzelne Stück aus, genießen bei Scelsis „Gloria“ aus den „Tre canti sacri“ gekonnt das Spiel mit der Dissonanz und schwelgen im Clusterklang, der die schlanke Besetzung gefühlt potenziert. Neuentdeckungen selten gehörter Musik stehen dabei gleichwertig neben der Pflege von klassischen Repertoirestücken wie „Denn er hat seinen Engeln“ von Mendelssohn-Bartholdy. Die CD schließt mit dem 13. (und besonders berührenden) Track: „Dat Du min Leevsten büst“, der 1925 geborene Helmut Wormsbächer hat die einfache Weise sensibel arrangiert, die Interpretation von „Voktett“ ist entsprechend.
Aufgenommen wurde im Stephansstift Hannover. Einzig der immense Nachhall irritiert – bei den Stücken mit lateinischem Text, wo der aufblühende Klang im Mittelpunkt steht (wie bei der modulationsbetonten „Hymne à Saint Martin“ von Augustinas), ist das weniger problematisch als bei den deutschsprachigen Werken. Irgendwann hat man sich zwar eingehört, doch etwas weniger wäre hier viel mehr gewesen. Letztendlich ist „Liebesweisen“ aber eine wunderschöne CD, die neugierig macht, wohin der Weg von „Voktett“ führen wird.
Liebesweisen – Geistliche und weltliche Bekenntnisse | Voktett Hannover | Rondeau ROP6172