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Erfrischende Brauchtumspflege

Dass ein Knabenchor auch Volkslieder singt, ist nicht unbedingt erwähnenswert. Wohl aber, wie er es tut. Der Windsbacher Knabenchor legt unter der Leitung von Karl-Friedrich Beringer und Instrumentalisten des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin (DSO) jetzt eine Aufnahme vor, deren schlichter Titel „Deutsche Volkslieder“ Programm ist: exemplarische Auffassung, Verinnerlichung und Wiedergabe vokalen „Volkseigentums“, das es zu bewahren und zu pflegen gilt.

Was die Windsbacher aus tiefster Seele und mit voller Kehle tun: Zwar gehören Francks „Kommt, ihr G’spielen“, Hasslers „Tanzen und Springen“ oder Silchers „Nun leb wohl, du kleine Gasse“ zum weltlichen Repertoire des Chores, doch ist von Routine nichts zu spüren: Mit erfrischender Leichtigkeit fühlen sich die Knaben- und Männerstimmen immer wieder in dieses deutsche Liedgut hinein und malen gleichsam als Pinsel ihres Dirigenten – Beringer selbst ist erklärter Romantiker – Bilder von einer intensiven Farbenpracht, die Eichendorffs weite Täler und Höhen, den kühlen Grunde oder Müllers Lindenbaum geradezu plastisch vor dem inneren Auge aufreißen.

Akzentuierter Diktus, wohl dosierte Dynamik mit vielschichtiger Schattierung und natürlich die feine Intonation sind hier als Windsbacher Markenzeichen die stilistischen Mittel, mit denen Chorleiter Beringer die textimmanenten Bilder und Empfindungen in unsere heutige Zeit projiziert, ohne auch nur einen Moment lang ins Edelkitschige abzudriften. In durch Männerchorseligkeit vorbelasteten Liedern wie Silchers „Loreley“ werden Sagen lebendig und im Jagdgesang mag man sich fast im Sessel festkrallen, um nicht vom gefühlten Pferd zu fallen.

Bekanntes wie selten Gehörtes vereinen die Windsbacher auf ihrer neuen CD zu einem ansprechenden Gesamt, dessen Komposition durch Instrumentalsätze trefflich ergänzt werden: Verstärkung im eigentlichen Sinne sind die Ensembles des DSO – drei Quartette aus Blechbläsern, Hornisten und Streichern – für die Windsbacher dabei nicht, da die Lieder a cappella vorgetragen werden. Doch für den Tonträger sind sie eine geschmackvolle Bereicherung, denn die harmonisch und transparent gespielten Prä- und Interludien flankieren die einzelnen Volkslieder und durchdringen das wohlige Empfinden mit teils harmonischen Brechungen gleichberechtigt. Dabei spiegeln die Musiker des DSO den epochalen Spannungsbogen der Sänger mit Stücken von Praetorius, Hindemith oder Bruckner detailgetreu wider.

Durch dieses Zusammenspiel aufgelockert verliert die Adaption Deutscher Volkslieder den heiligen Ernst, obgleich das Liedgut alles andere als oberflächlich angegangen wird. Nein, diese Aufnahme macht einfach nur Spaß und gebannt lauscht man den jungen Stimmen bei ihrem Ansinnen, die ohrenfälligen Gemeinsamkeiten von Volks- und Kunstlied aufzuzeigen und dabei mit frischem Odem den Staub von so manchem Schätzchen wegzublasen.

Der Windsbacher Knabenchor veröffentlicht mit den Deutschen Volksliedern nach Mendelssohns Elias, dem Mozart-Requiem und Schumanns As-Dur Messe bereits den vierten Tonträger beim Label Sony. Die gefeierte Einspielung des Brahms-Requiems aus dem Jahr 2002 (mit dem DSO, Julia Banse und Stephan Genz) wird ebenfalls in Kürze hier wieder aufgelegt.

Deutsche Volkslieder; Sony Classical, Bestellnummer 88697757252; Windsbacher Knabenchor, Blechbläser-, Horn- und Streichquartett des DSO Berlin; Karl-Friedrich Beringer

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