Licht und Frieden
Professionelle Chöre verfügen in der Regel über einen festen Stimmenpool oder haben gute Sängerinnen und Sänger in der Hinterhand, um für ein Konzert oder eine Aufnahme die bestmögliche Besetzung zusammenstellen zu können. Bei Knabenchören ist das so eine Sache: Zum einen hapert es zuweilen an talentiertem Nachwuchs und dann muss der Dirigent mit dem Stimmbruch auch stets eine Variable im Auge haben, die ihm im schlimmsten Fall einen gehörigen Strich durch die Rechnung machen kann. Insofern sind Konzerte und Aufnahmen solcher Ensembles immer in besonderem Maße Momentaufnahmen.
Die Wuppertaler Kurrende spielte bislang nicht unbedingt in der, wenn man so will, ersten Liga der deutschen Knabenchöre mit. Doch nach dem Wechsel von Martin Lehmann vom Windsbacher Knaben- zum Dresdner Kreuzchor 2022 fühlte sich auch sein früherer Chorassistent Lukas Baumann berufen, zu neuen Ufern aufzubrechen und kehrte aus Mittelfranken als Dirigent in eben jenen Chor zurück, in dem er als Kind und Jugendlicher selbst gesungen hat. Insofern hört man auch auf der zweiten CD, die Baumann mit der Wuppertaler Kurrende aufgenommen hat, einerseits die enge Verbundenheit zwischen dem Chor und seinem Leiter und andererseits, welch wertvolles Handwerkszeug der Dirigent in seiner Zeit bei den Windsbachern erworben hat.
Die bei Rondeau erschienene CD heißt „Von Licht und Frieden“ und ist allein thematisch schon mal am Puls der Zeit, denn sie leuchtet musikalisch zwei urmenschliche Sehnsüchte aus. Die Interpretation der Chorwerke mit teils einleitender Orgelmusik, gespielt vom Wuppertaler Kirchenmusikdirektor Jens-Peter Enk, dokumentieren dabei das sprunghaft gesteigerte Niveau, auf dem sich die Kurrende mittlerweile bewegt.
In einem klug arrangierten Programm aus romantischer Chorliteratur von Anton Bruckner, Max Reger oder Felix Mendelssohn Bartholdy und zeitgenössischen Werken unter anderem von Vytautas Miškinis (*1954) und Gustav Gunsenheimer (*1934) dokumentieren die jungen Sänger, wie engagiert und tief sie die klanglichen Möglichkeiten ihres Genres auszuloten verstehen. Eine persönliche Klangmarke setzt die Wuppertaler Kurrende mit den beiden Auftragskompositionen „Der Herr segne Dich“ von Alwin Michael Schronen (*1965) und „Beschirm uns Gott“ von Heinz Rudolf Meier (*1940), der den Chor selbst von 1979 bis 2005 leitete. Elegant intonierte Männersetze und lebendig interpretierte Spirituals runden das klangliche Gesamtbild überzeugend ab.
Der aktuelle Chorklang der Kurrende steht durchaus für einen an Knabenchören geschätzten kantigen Schliff, der jedoch nie steril wirkt, sondern durch die weiche Kindlichkeit der Knabenregister einen ganz eigenen Charme hat. Reinheit im Klang, genaue Diktion und homogener Ton sind ein überzeugendes Argument dafür, dass man in der Landkarte deutscher Knabenchöre mittlerweile auch in Wuppertal ein Fähnchen für hörenswerte Ziele platzieren darf.
Von Licht und Frieden – geistliche Chormusik der Romantik und Moderne | Wuppertaler Kurrende | Jens-Peter Enk (Orgel) | Lukas Baumann (Leitung) | Rondeau ROP6277


