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„Gothic Voices

Ohne Frage: Mit den „Gothic Voices“, einem Vokalensemble, das sich auf die Musik des Mittelalters spezialisiert, haben die Veranstalter des Mainzer Musiksommers einen wahren Höhepunkt ihrer noch jungen Konzertreihe 2007 gesetzt. Das 1980 gegründete Ensemble – Catherine King (Mezzosopran), Julian Podger und Leigh Nixon (Tenor) sowie Stephen Charlesworth (Bass) – gehört zu den Spitzeninterpreten dieser Musik.

Fast bis auf den letzten Platz war das Kirchenschiff von St. Johannis gefüllt und den Zuhörer durchlief ein wohliger Schauer, wenn er bei den Klängen der alten Musik bedachte, dass eben dieses Gotteshaus noch um einiges älter ist: Vom 12. bis zum 14. Jahrhundert reichte die Zeitspanne, aus der die gesungenen Werke stammten – St. Johannis wurde im 10. erbaut.

Die Musik aus jenen fernen Tagen wirkt im Gegensatz zu den Stücken aus Renaissance, Frühbarock und Barock mit ihrem polyphonen Pomp eher spröde. Aber gerade diese Einfachheit machte das Konzert zu etwas Besonderem. Was sicherlich auch an der exzellenten Stimmführung von King, Podger, Nixon und Charlesworth lag: Mit anmutiger Intensität finden die Interpreten mal unisono, mal mehrstimmig zueinander und passen sich intonatorisch perfekt aneinander an.

Gebete, meist Marienverehrungen und gesungene Poeme über die Liebe in lateinischer, französischer und englischer Sprache werden in verschiedenen Besetzungen vom Sologesang bis zur Vierstimmigkeit mit Reibungen und strengen Parallelintervallen melismenreich vorgetragen und gewinnen so an Prägnanz. Die Hörgewohnheiten irritieren anfangs das Fehlen der einen Akkord als Dur- oder Moll-Dreiklang charakterisierende Terz und die wortwörtlich gebetsmühlenartigen Wiederholungen, das Dehnen einzelner Wörter durch ausschmückendes Singen der Vokale und die genaue Deklamation der Verse. Aber was zuerst befremdlich wirkt, nimmt den Zuhörer doch rasch gefangen und lässt ihn so schnell nicht mehr los.

Hildegard von Bingen (um 1098-1179), Guillaume de Machaut (1300-1377) und Solage (um 1350-1400) waren hier die einzigen „bekannten“ Komponisten; die anderen gesungenen Werke stammten alle von anonymen Meistern. Inniges Flehen zur Gottesmutter, ein jubelnder Cantus oder ein ironisches Gedicht über die Pünktlichkeit – „Gothic Voices“ füllte das Gemäuer der ältesten Mainzer Kirche mit wundervollen Klängen und schuf so ein Konzerterlebnis, das einem ob seiner speziellen Musik in dieser Qualität selten geschenkt wird.

Das Konzert wird am 26. November 2007 um 20.03 Uhr auf SWR2 übertragen.

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