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Volker Diefes kriegt Torschlusspanik im „Hotel Mama"

Vor Aufregung hat er sich schon mehrmals „backstage in die Hose gepullert“ und auch das Warm up geht vollends in die Hose: Ingo aus der ersten Reihe mag nicht „Ich will ein Kind von Dir“ rufen und der weibliche Teil des Publikums fällt daher viel zu früh mit seinem, wenn auch begeisterten „Ich auch“ ein. Volker Diefes, früheres „Kom(m)ödchen“-Mitglied, bekennt sich frei zu seiner Gefangenschaft: Im „Hotel Mama“, so der Name seines zweiten Solo-Programms, fühlt er sich sicher und geborgen vor dem Unbill der lärmenden Welt.

Ganz Ödipussi beruhigt er seine Frau Mutter per Handy: „Ja, ich bin gut angekommen; ja, hier sind alle lieb zu mir.“ Obwohl der Meinung seines Vaters nach „Bindung nur etwas für Soßen“ sei, hängt Diefes an der räumlichen Nabelschnur, auch wenn er es nicht mag, wenn Mutti am Jackett herumzubbelt, mit spuckefeuchtem Taschentuch Flecken entfernt oder das Aufräumen des Zimmers befiehlt.

Die Stimmung ist riesig, Diefes hat sein Publikum in der Hand und trifft vieles auf den Punkt. Irgendwie stolpert er zwar ein bisschen unbeholfen durchs Programm, das manch kantigen Übergang hat, doch ist dies wohl ein Wesenszug des Muttersöhnchens: „Wieso weiß ich, wer, wann, wo und mit wem in der Besenkammer war, kann aber die Präambel des Grundgesetzes nicht zitieren? Und warum erfahre ich etwas über die Farbe von Paris Hiltons Höschen, erinnere mich aber nicht an den Kategorischen Imperativ?“, fragt sich Diefes – und sehnt sich nach einem mentalen Spamfilter, während er unter seiner Lifestyle-Allergie leidet.

Mit Gesangsnummern, herrlich naiv eingestreuten Pointen („Ist Uncle Ben’s der Vater von Condoleezza Rice?“ und immer neuen Bezügen zur familiären Bindung („Seit dem 11. September hat meine Mutter noch mehr Angst um mich.“) irrt Diefes durch die Korridore des mütterlichen Hotels. Auch Mama Diefes tritt auf, als telefonische Gesprächspartnerin von Mama Bin Laden, die schlicht durch ein Taschentuch auf dem Kopf dargestellt wird. Sie echauffiert sich über die schlechten Arbeitsbedingungen ihres Sohnes in den Höhlen am Hindukusch und Volker Diefes beweist einmal mehr seine Ader für subversiven Humor: „Da würde jede Gewerkschaft bei Ihnen Sturm laufen.“

Schließlich kommt es zur Katastrophe: Der „emotionale Beckenrandschwimmer“ liest den Abschiedsbrief seiner Mutter vor, die das Häuschen verkauft und sich mit einem jüngeren Lover nach Monte Carlo abgesetzt hat: Ab jetzt ist der 36-jährige auf sich selbst angewiesen, die Rezeption im „Hotel Mama“ ist nicht mehr besetzt, der Zimmerservice eingestellt. Und Diefes plärrt sein „Mamaaaa“ wie einst Klein-Heintje in sein Publikum, wo er eine Ersatzmutti zu finden hofft. Den Reaktionen der Damen dort zufolge hat der Kabarettist vom Niederrhein hiermit wohl keine Probleme…

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